Stille Helden vom Salzkammergut 28.-30. September 2016

Vor 71 Jahren, zu Kriegsende im Jahr 1945, hatten die Nazis eine Wahnsinnsidee. Sie wollten in ganz Europa geraubte, weltberühmte, einmalige Kunstschätze in die Luft sprengen, die im Salzbergwerk Altaussee im Salzkammergut in Österreich gelagert und versteckt waren. Eine Gruppe mutiger Bergleute und Zivilisten verhinderte dies. Millionen von Besuchern – vom Louvre in Paris, über Museen in Gent und Brügge, aber auch in Deutschland, der Uffiziengalerie in Florenz, bis hin zu den Museen in Wien – können daher diese Kunstschätze noch heute bestaunen. Die Tat dieser mutigen Männer und Frauen wurde bis heute nicht bedankt und gewürdigt. In einer großen Gedenkveranstaltung am 30. September 2016 würdigen nun die Republik Österreich und das Land Steiermark diesen „Stillen Helden vom Salzkammergut“. Die Österreichische Post AG tut dies mit einer Herausgabe einer Sonderbriefmarke.

Tausende Gemälde, Skulpturen, Juwelen, Goldbarren hatte der große Führer, Adolf Hitler, auch für das geplante Führermuseum in Linz, in Altaussee im Salzbergwerk einlagern lassen. Dort sollten sie sicher sein vor Bombenangriffen. In den letzten Kriegstagen des April 1945 wollte der fanatische Gauleiter August Eigruber die Schatzkammer im Berg jedoch durch Bombensprengung vernichten. Nichts sollte den Alliierten oder dem verhassten Weltjudentum in die Hände fallen. Eine Handvoll mutiger steirischer Bergmänner verhinderte diese Wahnsinnstat, allerdings aus Angst um ihre Arbeitsplätze. Sie riskierten ihr Leben und sicherten damit gleichzeitig unwiederbringliche Kunstwerke für die Nachwelt.

Bequem im Auto sitzend kann man heute von Altaussee aus das Salzbergwerk erreichen. Dort wartet auf die Besucher jenes noch bestehende Stollenrevier, wo die Nazis Europas größten geraubten Kunstschatz eingelagert hatten.

Zu Fuß geht es dann rund einen Kilometer in den Berg hinein. Noch heute stehen dort die Originalregale – in einem Zustand, als wäre das Ganze erst gestern hier installiert worden. „Viele Besucher staunen, denn sie wissen nichts davon, dass hier die wertvollsten Gemälde und Skulpturen der Welt gelagert wurden. Nicht zuletzt, weil die konstante Lufttemperatur von rund zehn Grad und die gleichbleibende Luftfeuchtigkeit beste Voraussetzung dafür boten“, erzählt Kurt Thomanek, Geschäftsführer des Salzwelten Altaussee.

Seit Herbst 1943 waren auf Befehl Adolf Hitlers die wertvollsten Stücke des in ihrer zwölfjährigen Gewaltherrschaft in ganz Europa geraubten Kunstguts im Salzbergwerk von Altaussee und anderswo im Salzkammergut eingelagert worden. Sie sollten dort vor den Bomben der Alliierten geschützt sein. Ganz besonders im letzten Kriegswinter 1944/45 – das Hitlerregime war am Ende – ließen die Naziführer auch ihre privaten Kunstschätze und Reichtümer für „die Zeit nachher“ im Salzkammergut bunkern. Meist geschah dies unter chaotischsten Umständen, da die Alliierten bereits täglich Österreich bombardierten. Vieles war noch weiter in den Berg hineingebracht worden, weil Panik aufkam, dass es nicht genügend sicher wäre. In den letzten Kriegsmonaten ging dann daher die Übersicht verloren, was wirklich im Salzbergwerk gelagert war. Milliardenwerte sind bis heute nicht mehr aufgetaucht.

Die Nazis hatten die Museen und Galerien Europas beraubt, aber auch Kunstsammler in ihren privaten Schlössern. Stets gab es dabei einen Vorbehalt – nämlich jenen für den Führer. Erst wenn das eine oder andere Werk nicht für die Führersammlung interessant war, durften sich andere aus der Nazihierarchie diese Dinge einverleiben.

Unter den tausenden Gemälden waren berühmte von Rubens, Rembrandt, Tizian, Bruegel, Tintoretto, Vermeer, Raffen, Goya, die enteigneten jüdischen Sammlungen der Familien Rothschild, die Reichskleinodien, aus Italien geraubte Schätze und, und. Erst im Jahr 1963 wurde das letzte Raubgut, eine Münzsammlung der Familie Rothschild, dieser rückerstattet. Eine von den Nazis geraubte und nach Altaussee gebrachte Kunstwerke überstrahlten aber alles andere: der weltberühmte Genter Altar, Michelangelos marmorne Madonna von Brügge, Jan Vermeers „Der Künstler in seinem Atelier“ und „Der Astronom“.

Panik in den letzten Wochen

In den Apriltagen des Jahres 1945 war das Naziregime am Ende, die deutsche Armee war in Auflösung – da traf August Eigruber, der Gauleiter von Oberdonau, eine verbrecherische Entscheidung. Die Kunstschätze dürften unter keinen Umständen in die Hände der Alliierten und des Weltjudentums fallen. Eigruber nahm es auf sich, sie entgegen dem Befehl Hitlers zu vernichten. Die Vorkehrungen dazu waren bereits getroffen. Eigruber hatte bereits am 10. April Bomben verpackt in Kisten mit der Aufschrift „Vorsicht Marmor – nicht stürzen!“ in geheimer Mission in den Altausseer Salzberg transportieren lassen. Es waren 500 Kilo Bomben, Blindgänger, die von der amerikanischen Luftwaffe stammten. Zünder für die Bomben waren bereits, so hieß es, von Innsbruck aus mit einem eigenen Trupp nach Altaussee unterwegs. Es ging alles drunter und drüber.

Doch die Bergleute erfuhren davon und für sie war eines klar: Sie wollten diese Sprengung schon aus dem Grunde nicht, weil damit ihre Existenz und ihre Arbeitsplätze vernichtet worden wären. Die im Berg arbeitenden Kunstexperten wiederum wollten logischerweise auch die Sprengung verhindern. Es waren dann die Bergleute –, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Bomben aus dem Bergwerk hinausfuhren und sie draußen mit Reisig zugedeckt lagerten. Als Gauleiter August Eigruber davon über Telefon erfuhr, befahl er, die Verantwortlichen zu erschießen. Doch es kam aufgrund des allgemeinen Chaos zum Glück nicht mehr dazu.

Praktisch täglich tauchten Offiziere, Generäle, ranghöchste Nazischergen, aber auch Minister und Politiker aus Vasallenländern auf, die sich ins Salzkammergut durchgeschlagen hatten, um sich dort zu verstecken. Viele von ihnen waren mit „schwerem Gepäck“ unterwegs. Sie hatten Juwelen, Schmuck und Gold mit, das sie dann für ihre Zeit nach Kriegsende verwenden wollten. Noch heute spricht man im Salzkammergut davon, dass es da und dort noch immer vergrabene Kostbarkeiten (Goldmünzen, Juwelen usw.) gäbe. Die Flüchtigen mussten viel zurücklassen – das eigneten sich dann Einheimische an, die damit zu Wohlstand kamen, diesen aber über Jahrzehnte hinweg geschickt verborgen hielten.

Auch in George Clooneys Film „Monuments Men – Ungewöhnliche Helden“ ist das Geschehen im Salzkammergut einer der inhaltlichen Höhepunkte. Waren es doch amerikanische Militärs, die in ganz Europa auf der Spur nach diesen geraubten Kunstschätzen waren und die nach Kriegsende die Rückgabe an die ursprünglichen Eigentümer – so diese überhaupt noch am Leben waren– veranlassten.

Bis heute gibt es um die Rettung der Kunstschätze sowohl viele Fakten, als auch viele Mythen. Damit beschäftigt sich auch ein Workshop unter Teilnahme von international anerkannten Historikern und Provenienzforschern am 28. und 29. September 2016 in Altaussee.

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