Sechs-Stunden-Tag und Co: AK/ÖGB- Konferenz diskutiert neue Ansätze in der Arbeitszeitpolitik

Arbeitszeit ist Lebenszeit. Daher ist es für die Arbeitenden besonders wichtig, sie mitzugestalten. Arbeiterkammer und Gewerkschaften in Oberösterreich halten daher ab heute unter dem Titel „Unsere Arbeit. Unsere Zeit“ eine zweitägige Arbeitszeitkonferenz in Linz ab, um sich abseits des beruflichen und interessenpolitischen Alltags grundsätzlich mit aktuellen Fragen und Herausforderungen der Arbeitszeitengestaltung auseinanderzusetzen.

„Dass die Konferenz mit 450 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Betrieben, Gewerkschaften, Interessenvertretungen, Wissenschaft, Politik und Kultur restlos ausgebucht ist, zeigt, wie wichtig und brisant das Thema ist“ sagt AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer.

Einer der Vortragenden ist Daniel Bernmar, stv. Bürgermeister der Stadt Göteborg, deren Experiment mit einem Sechs-Stunden-Tag im öffentlichen Dienst große internationale Aufmerksamkeit erregt hat. Für Daniel Bernmar bieten kürzere Arbeitstage einen neuen Ausweg aus den vielen Krisen der Gegenwart: steigende Ungleichheit, Arbeitslosigkeit, ein schlechtes Arbeitsumfeld, zu viele Überstunden, geringes Wohlbefinden. Um zu beweisen, dass kürzere Arbeitstage tatsächlich funktionieren, hat die schwedische Stadt für zwei Jahre in einem Pflegeheim für ältere Menschen den Versuch eines Sechs-Stunden Tages unternommen.

„Unser Versuch hat die Krankenstände um zehn Prozent reduziert. Das persönliche Gesundheitsgefühl der Pflegebeschäftigten ist beträchtlich gestiegen und auch die Menschen im Pflegeheim fühlen sich besser betreut“, fasst Bernmar die Ergebnisse zusammen. Das Pflegeheim musste zusätzliche 15 Pflegekräfte einstellen, die rund 630.000 Euro im Jahr kosten. Rund die Hälfte dieser Ausgaben wurde durch den Rückgang bei den Krankenständen und Ausfallszeiten kompensiert. Dabei sind noch keine Langfristeffekte berücksichtigt, welche mit Sicherheit die Kosten noch weiter reduzieren werden.

Auch Österreich hat für eine arbeitnehmerfreundlichere Gestaltung der Arbeitszeiten insgesamt viel Spielraum wie folgenden Fakten zeigen:

Bei der effektiven Jahresarbeitszeit in Höhe von 1.625 Stunden übertreffen wir unser Nachbarland Deutschland laut OECD um 15 Prozent bzw. mehr als 250 Stunden. Auch die Arbeitswoche für Vollzeitbeschäftigte ist mit durchschnittlich 41,5 Stunden um eine Stunde länger als in Deutschland. In Schweden dauert sie nur 39,9 Stunden. Und die Zahl der gesunden Lebensjahre in der Pension ist in Schweden mit 17 Jahren für Frauen und 15 für Männer am höchsten. In Österreich oder Deutschland ist sie mit nur rund sieben bis 8 Jahren nur halb so hoch.

Das könnte mit dem hohen Stress in Österreichs Arbeitswelt zusammenhängen. Laut Statistik Austria ist Arbeiten unter Zeitdruck für zwei Drittel der Beschäftigten Realität. Und vier von zehn werden mindestens einmal in zwei Monaten außerhalb der Arbeitszeit bezüglich ihrer Arbeit kontaktiert. „Ein gesetzlich verankertes Recht auf Unerreichbarkeit in der Freizeit wie in Frankreich wäre daher auch für Österreich überlegenswert. Und wir sollten eine Angleichung der Arbeitszeiten anstreben: eine kurze Vollzeit für alle, statt überlange Arbeitstage für die Einen und ungewollte Teilzeit oder gar Arbeitslosigkeit für die Anderen“, sagt der AK-Präsident.

Einiges hat sich bereits bewegt, vor allem auf betrieblicher Ebene. Beispiele sind das Solidaritätsprämien-Modell in der Voest oder die Freizeitoption in der Elektroindustrie. Solche Möglichkeiten zur Verkürzung der Arbeitszeit gilt es auszubauen. „Die Zeitsouveränität der Beschäftigten muss verbessert und die Qualität des Arbeitens erhöht werden. Dazu müssen mehr Rechtsansprüche für die Beschäftigten geschaffen werden – zum Beispiel auf Bildungsfreistellung für alle oder auf einen Wechsel zwischen Voll- und Teilzeit, ähnlich wie bei der bereits bestehenden Elternteilzeit“, fordert der AK-Präsident.

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