10 Jahre OÖ Finanzführerschein der Schuldnerhilfe

Sozial-Landesrätin Birgit Gerstorfer: „Der OÖ Finanzführerschein
hilft, Jugendliche vor Verschuldung zu bewahren“
Junge Menschen haben heute so viel Geld zur Verfügung wie nie zuvor.
Nicht zuletzt deshalb ist die Jugend eine besonders umkämpfte
Zielgruppe auf dem Werbemarkt. Schon früh hat die SCHULDNERHILFE
OÖ die Notwendigkeit präventiver Arbeit erkannt und bereits Anfang der
1990er Jahre begonnen, Workshops zu Geldthemen in Schulen
anzubieten. Aus dieser Tätigkeit entstand ein eigener Fachbereich
Schuldenprävention mit diversen Angeboten zur Vorbeugung von
Schuldenproblemen. Denn beim Thema „Schulden“ ist es besonders
wichtig, frühestmögliche Hilfe anbieten zu können, bevor die
Überschuldung nicht mehr bewältigt werden kann.

2006 wurde mit der Entwicklung des OÖ Finanzführerscheins begonnen,
welcher im ersten Halbjahr 2007 in einem Testlauf mit 281 Jugendlichen
durchgeführt wurde und aufgrund des Erfolgs und der großen Nachfrage
von Seiten der Schulen durch das Sozial-Ressort des Landes OÖ mit
den finanziellen Mitteln für einen größeren Projektumfang ausgestattet
wurde.

Heute hat sich der OÖ Finanzführerschein in zahlreichen Schulen
Oberösterreichs als fixer Bestandteil in der Jahresplanung etabliert. Im
abgelaufenen Schuljahr haben 2.700 Jugendliche den OÖ
Finanzführerschein absolviert, insgesamt konnten seit Beginn ca.
23.000 Zertifikate an Absolvent/innen überreicht werden. Ab dem
Schuljahr 2017/2018 ist die Finanzierung von weiteren 2.800 Plätzen
gesichert. Die Nachfrage nach dem Angebot ist ungebrochen und
mittlerweile konnte das bewährte Konzept des OÖ Finanzführerscheins
auch erfolgreich nach Südtirol, Salzburg und ins Burgenland exportiert
werden. Darüber hinaus gibt es auch Interesse der Schuldenberatungen
in Niederösterreich und Kärnten das Konzept aus Oberösterreich zu
übernehmen.

Ausgangslage 2007:
Der OÖ Finanzführerschein wurde vor dem Hintergrund entwickelt, dass
zu dieser Zeit mehr als ein Fünftel der Klient/innen der
SCHULDNERHILFE OÖ höchstens 25 Jahre alt waren und somit in der
Regel trotz des jungen Alters bereits überschuldet waren.
Handyrechnungen, Kontoüberzüge und Kleinkredite waren zu jener Zeit
die wichtigsten Auslöser und sind es im Wesentlichen bis heute
geblieben.

Mehrere Ursachen liegen der Thematik „Jugendverschuldung“
zugrunde:
- Die Konsum- und Freizeitindustrie unterstützt die Kauflust von
Kindern und Jugendlichen offensiv.
- Der eigene Umgang mit Geld ist immer noch ein Tabuthema –
auch in der Familie wird über Geldangelegenheiten nicht oder
nicht ausreichend gesprochen.
- Zahlungsprobleme werden oft erst sehr lange verdeckt oder es
wird versucht, Zeit zu gewinnen ohne das eigentliche Problem zu
lösen.
- Eltern sind als Vorbilder in finanziellen Angelegenheiten nur sehr
eingeschränkt existent oder selber keine guten Vorbilder.
- Der Schritt in die Selbstständigkeit als junge/r Erwachsene/r wird
finanziell oft stark unterschätzt.
- Der durch die Eltern ermöglichte Lebensstandard ist mit einem
Beruf im Niedriglohnbereich häufig nicht finanzierbar – möchte
aber trotzdem erhalten werden.
- Generell ist eine sinkende oder überhaupt fehlende finanzielle
Allgemeinbildung bei Kindern und Jugendlichen festzustellen, die
im Rahmen der schulischen Ausbildung nicht kompensiert werden
kann.
- Es fehlt an einer reflektierten Auseinandersetzung mit dem
eigenen Kaufverhalten bzw. einer fundierten Risikoabwägung.
Somit werden häufig Entscheidungen getroffen, die die eigene
finanzielle Situation nicht ausreichend berücksichtigen.

Dabei stellen die Schuldnerberater fest, dass es vor allem Personen mit
geringer Ausbildung, aufgrund mangelnder Wirtschaftskenntnis,
schwer fällt, als mündige/r Konsument/in zu agieren. Gleichzeitig fehlt
hier häufig ein Netz, das bei Fehlentscheidungen noch helfend und
korrigierend eingreifen kann.

Um nachhaltig gute Geld-Entscheidungen treffen zu können, braucht es
neben Informationen über Konsumentenrechte, Produktwissen und dem
Beherrschen der Grundrechnungsarten, auch eine reflektierte
Auseinandersetzung mit der eigenen finanziellen Situation bzw. den
persönlichen finanziellen Möglichkeiten. Nur so ist es möglich, dass
junge Menschen sich finanziell nicht übernehmen. Die Finanzkrise 2009
hat vielen Menschen vor Augen geführt, wie wichtig es für
Privatpersonen ist, ihre Finanzen unter Kontrolle zu haben und bewusste
bzw. informierte Entscheidungen zu treffen und sich nicht nur auf die
Beratungsleistung der Verkäuferseite zu verlassen.

Heute stellt sich die Situation so dar, dass seit Einführung des OÖ
Finanzführerscheins vor 10 Jahren die Lebenskosten teilweise stark
angestiegen sind, während die Löhne und Gehälter diese Entwicklung
nicht im entsprechenden Maße mitgemacht haben. Laut Statistik Austria
haben sich alleine die Mietkosten seit 2012 um 17 Prozent erhöht. Viele
junge Menschen stehen heute nach Abschluss ihrer Ausbildung vor dem
Problem, mit ihrem Einkommen nicht in der Lage zu sein, sich auf eigene
Füße zu stellen bzw. alleine für Kosten einer eigenen Wohnung
aufkommen zu können. Jugendliche in schlecht bezahlten Berufssparten
sind hiervon besonders betroffen. Wo ein großer Teil des Einkommens
bereits fürs Wohnen verbraucht wird, ist ein verantwortungsvoller und
reflektierter Umgang mit den eigenen Finanzen unumgänglich.
Arbeiterkammer setzt auf Prävention für Junge Horrende Handyrechnung wegen unüberlegten Surfens, überzogenes Konto, Kleinkredit fürs Auto oder die erste Wohnungseinrichtung – und schon schnappt die Schuldenfalle
zu. Jedes Jahr suchen junge Arbeitnehmer/innen Hilfe beim Konsumentenschutz der AK, weil sie etwa mit den Kreditraten nicht mehr zu Rande kommen oder sie Miete und Strom nicht mehr überweisen können. Damit es gar nicht so weit kommt,setzt die AK darauf, junge Menschen auf ein selbstständiges
Finanzleben vorzubereiten.

AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer betont:
„Der präventive Schutz ist uns ein großes Anliegen. Der
Finanzführerschein ist ein wertvoller Beitrag dazu. Er hilft den jungen
Menschen, Konsumfallen im Vorhinein zu erkennen und gar nicht erst
hineinzutappen.“

Die AK unterstützt gemeinsam mit dem Land OÖ das Projekt der
Schuldnerhilfe deswegen finanziell und mit Expertenwissen. Im
Workshopzentrum Di@log etwa, das über Schulen besucht werden kann,
werden für Jugendliche Workshops angeboten – unter anderem zu den
Themen „Auskommen mit dem Einkommen“, „Shopping Guide“ oder
„Trashed: Konsumieren für den Müll“. Dabei wird das Thema Konsum
kritisch behandelt.

Sollten Jugendliche oder junge Erwachsene Fragen rund ums Geld
haben, etwa zum Thema Lohn und Gehalt, oder in Konsumfallen tappen,
zum Beispiel Verträge mit unfairen Klauseln unterschreiben, hilft die AK
rasch und kostenlos: Auf www.fragdieak.at können die Jugendlichen via
Smartphone, Laptop oder Tablet ganz unkompliziert und auch vertraulich
mit den Expertinnen und Experten der AK in Dialog treten und sich
beraten lassen – die Antwort der AK kommt spätestens am nächsten
Werktag. Außerdem gibt´s auf der Website viele nützliche Infos,
Musterbriefe, Checklisten und Videos zu Themenbereichen, die für junge
Menschen relevant sind: Neben dem Thema Geld auch Arbeit und
Recht, Bildung, Handy, Wohnen und Freizeit.

Konzept des OÖ Finanzführerscheins
Der OÖ Finanzführerschein ist ein mehrstufiges, modular aufgebautes
Ausbildungsprogramm, in dessen Rahmen die Teilnehmer/innen
praxisnahes Wissen rund um das Thema Geld erhalten. Eine aktive und
kritische Auseinandersetzung anhand von Beispielen aus dem Leben,
soll überlegtes und kompetentes Handeln in alltäglichen Finanzfragen
fördern. Der OÖ Finanzführerschein wird in drei unterschiedlichen Stufen
(BASIC, ADVANCED, PROFESSIONAL) angeboten und besteht jeweils
aus 5 Modulen zu je 2 Unterrichtseinheiten. Die Module 1, 3 und 5
werden von Trainer/innen der SCHULDNERHILFE OÖ direkt mit den
Schüler/innen bzw. Teilnehmer/innen durchgeführt. Die Module 2 und 4
sind als E-Learning Kurse konzipiert, die von den Multiplikator/innen
gemeinsam mit den Teilnehmer/innen vor Ort durchgeführt werden.

Zielgruppen des OÖ Finanzführerscheins sind:
- OÖ Finanzführerschein BASIC: Polytechnische Schulen und 1.
Klassen Fachschulen
- OÖ Finanzführerschein ADVANCED: Arbeitsmarktpolitische und
sozialpädagogische Maßnahmen
- OÖ Finanzführerschein PROFESSIONAL: Für 2. und 3. Klassen
Berufsschulen, 2. und 3. Klassen Fachschulen und Lehrbetriebe.
Die Themen in den einzelnen Stufen entsprechen dem Alter, dem
Wissensstand, den Interessen und dem Schul- bzw. Ausbildungstyp,
diese unterscheiden sich sowohl inhaltlich als auch in der didaktischen
Ausrichtung. Dies ermöglicht auch eine mehrmalige Auseinandersetzung
mit der Thematik in den unterschiedlichen Stufen des OÖ
Finanzführerscheins. Nähere Informationen zu den konkreten Inhalten
der einzelnen Stufen und Module finden Sie unter
www.finanzfuehrerschein.at.
Arbeitsweise

Der OÖ Finanzführerschein wird in Kleingruppen von maximal 15
Personen durchgeführt. Im Mittelpunkt steht eine kritische
Auseinandersetzung (ohne erhobenen Zeigefinger) mit dem eigenen
Geldverhalten bzw. die Vermittlung der nötigen Kompetenzen, um als
mündige/r Konsument/in in der Finanzwelt bestehen zu können. Dabei
wird methodisch vielfältig gearbeitet und thematisch nahe an der
Lebenswelt der Jugendlichen agiert.

Wirkung der Präventionsmaßnahmen in Oberösterreich
Seit Einführung des OÖ Finanzführerscheins ist der Anteil sehr junger
Menschen in den Schuldenberatungen nicht weiter angestiegen. Vor 10
Jahren lag der Anteil der bis 25jährigen, die sich an Schuldnerberatung
wandten bei ca. 21%. In den letzten Jahren ist der Anteil der bis
25jährigen auf ca. 18,5% gesunken. Dies zeigt, dass Präventionsarbeit
wirkt.

Prävention der SCHULDNERHILFE OÖ steht auf mehreren Beinen
Neben dem OÖ Finanzführerschein bietet die SCHULDNERHILFE OÖ
noch zahlreiche weitere Präventionsangebote für verschiedene
Zielgruppen an:
- Finanzworkshops für Schulen ab der Neuen Mittelschule und
Sozialeinrichtungen
- Bildungsveranstaltungen für Eltern zum Thema Taschengeld
und Gelderziehung
- Spezielle Workshops für Personengruppen mit besonderen
Bedürfnissen (z.B. Menschen mit Beeinträchtigungen)
- E-Learning „Finanzkompetenz“: Kurse für diverse
Altersgruppen, welche über die Website der SCHULDNERHILFE
OÖ frei zugänglich und nutzbar sind. So können wichtige Inhalte
unkompliziert von Lehrkräften in den Unterricht integriert werden.
Mehr dazu unter www.finanzkompetenz.at.
- Finanztrainings in diversen Maßnahmen des AMS für Menschen
in besonderen finanziellen Situationen. Diese richten sich an
Jugendliche und (junge) Erwachsene.

Darüber hinaus erstellt die SCHULDNERHILFE OÖ derzeit für die
Website www.konsumentenfragen.at vom BMASK
Unterrichtsmaterialien für Volksschule und Kindergarten. In den
vergangenen Jahren wurden hier bereits umfangreiche pädagogische
Unterlagen für die 8. bis 11. Schulstufe entwickelt.
Informationsmaterialien, Kultur- und Medienprojekte sowie
Fachtagungen runden das Angebot an Schuldenprävention der
SCHULDNERHILFE OÖ ab.

Nähere Infos zu den einzelnen Bereichen finden Sie unter
www.schuldner-hilfe.at im Bereich Prävention.
Verrücktheiten im Handel und Verkauf
Auf Seiten des Handels und Verkaufs wird alles getan, um auch den
finanzschwächsten Kund/innen Produkte zu verkaufen (soweit sie die
Bonitätskriterien erfüllen): Es gibt Urlaub auf Raten, es gibt eine Happy-
Hour Aktion einer österreichischen Bank für einen 0,0%-Kredit über €
5.000,-- und Elektrofachmärkte bieten Ratenzahlungen ab € 200,-- mit
einer Laufzeit von 12 – 60 Monaten an. Alles möglichst unkompliziert,
schnell und direkt.

Welche Auswirkungen dies auf die finanzielle Gesamtsituation der
Kund/innen hat, ist dem Handel solange egal, bis die ersten
Zahlungsschwierigkeiten auftreten. Dann ist es häufig vorbei mit dem
Entgegenkommen und der Kundenorientierung, hier steht die Eintreibung
der entstandenen Schulden im Mittelpunkt.

Wenn Kund/innen nicht mehr zahlen können, Gläubiger mehr oder
weniger erfolglos gemahnt haben und auch ein Inkassobüro keinen
Erfolg hatte, werden häufig Exekutionen/Pfändungen bei Gericht
beantragt: 2016 wurden österreichweit 1.399.480 (769.576
Fahrnisexekutionen, 629.904 Lohnpfändungen) Exekutionen beantragt.
Umgerechnet auf die Einwohnerzahl Oberösterreichs wären dies etwa
235.000 Pfändungen pro Jahr oder fast 950 Pfändungsanträge pro
Werktag. Dabei betrifft ein Großteil der Pfändungen nicht
zahlungsunwillige Personen, sondern zahlungsunfähige.

Reform des Privatkonkurses:
Nach langen Verhandlungen wurde am 21.6.2017 die Reform des
Privatkonkurses im Justizausschuss beschlossen.
Neuerung im Detail:
- Verkürzung der Dauer des Abschöpfungsverfahren von 7 auf 5
Jahre
- Wegfall der Mindestquote von 10%
- Tritt mit 1.11.2017 in Kraft
- Für laufende Verfahren gibt es Übergangsbestimmungen
Bisher vom Privatkonkursverfahren ausgeschlossene Personen erhalten
durch den Wegfall der Hürde der 10 % Mindestquote nun endlich Zugang
zu Privatkonkurs.
So haben künftig auch Menschen mit niedrigem Einkommen, wie
Alleinerzieher/innen, Menschen mit chronischen Erkrankungen,
Menschen mit Mindestpension, aber auch gescheiterte Selbstständige
mit hohen Schulden, Chance auf eine Entschuldung.

Anerkannte Schuldenberatungen setzen auf Qualität
Die Nachfrage nach Schuldenberatung macht einmal mehr deutlich, wie
wichtig professionelle und nachhaltige Beratung für überschuldete
Menschen ist.

Seit 2008 führen „staatlich anerkannte Schuldenberatungen“
österreichweit einheitlich ein vom Justizministerium verliehenes
Gütezeichen, um sich weithin sichtbar von anderen Anbietern zu
unterscheiden. Sie sichern durch ihre professionelle Beratung und die
Vertretungsfunktion vor Gericht auch den Zugang zum Privatkonkurs.
Zur nachhaltigen Sicherung der Qualität der Beratung, wie auch der
Organisationsstrukturen, wurden 2012 die beiden staatlich anerkannten
Schuldenberatungen in OÖ nach dem international anerkannten
Qualitätsmanagementsystem ISO 9001:2008 zertifiziert. Dabei werden
alle Arbeitsprozesse transparent gemacht und jederzeit nachvollziehbar
dokumentiert, sowie der hohe Qualitätsstandard der Arbeit überprüft und
aufgezeichnet. (Gruppenzertifizierung nach ÖNORM EN ISO
9001:2008).

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