VON 20. BIS 24. OKTOBER 2017 FINDEN IN HALLSTATT EUROPAWEIT EINZIGARTIGE FORSCHUNGSARBEITEN STATT

Vermessung des Hallstätter Sees 
Ein Bohrkern aus Hundert Meter Wassertiefe wird in Augenschein genommen. 
© NHM Wien
Vermessung des Hallstätter Sees Ein Bohrkern aus Hundert Meter Wassertiefe wird in Augenschein genommen. © NHM Wien

Ein internationales Forscherteam wird den Boden des Hallstätter Sees auf der Suche nach Extremereignissen hochauflösend vermessen.

3.500 Jahre Mensch-Umweltbeziehung rund um den Hallstätter See
Die Untersuchungen am Boden des Hallstätter Sees erfolgen im Rahmen des Facealps-Projekts: Die beteiligten Forscherinnen und Forscher hoffen, in über 100 m Wassertiefe Hinweise auf jahrhunderte- und jahrtausendalte Umweltereignisse aufzuspüren. Das Facealps-Projekt wird vom Naturhistorischen Museum Wien geleitet und hat Forschungspartner in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Gefördert wird das Projekt durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften.
Projektleiterin Dr. Kerstin Kowarik von der Prähistorischen Abteilung des NHM Wien erklärt: „Das Facealps-Projekt ist eines der interdisziplinärsten Forschungsprojekte Österreichs. Wir erforschen die Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt über die letzten 3.500 Jahre.“

Den Seeboden lesen
Die Schlammschichten am Grund des Hallstätter Sees sind ein wertvolles Umweltarchiv. Es sind nicht nur reiche Informationen über vergangene Umweltbedingungen in diese Schichten eingelagert, wie z.B. Blütenstaub oder Insektenreste. Auch die Form der Schichten bzw. das Relief der Oberfläche birgt eine Fülle an Informationen. So macht ein hochauflösendes Höhenmodell z.B. Felsbrocken, Schuttströme und Abrisskanten sichtbar, die Hinweise auf vergangene Felsstürze, Massenbewegungen, Hochwasserereignisse oder Erdbeben geben können.

Was wird gemessen und wie?
Untersucht wird die Oberfläche des Seebodens. In bis zu 100 m Wassertiefe werden kleinste Höhenunterschiede in dessen Relief gemessen. Denn hier verbergen sich zahlreiche Hinweise auf große und kleine Naturereignisse. Um diese lesen zu können, wird aus den Messwerten ein digitales Geländemodell des Seebodens abgeleitet. Die Messung selbst erfolgt mit Hilfe eines hochpräzisen Multibeam-Echolots (Fächerecholot). Dieses ist an einem Boot befestigt, das den See streifenweise abfährt. Die Vermessungen werden von einem Team der Universität Bern (Univ. Prof. Dr. Flavio Anselmetti) in Kooperation mit der Universität Innsbruck (Univ. Prof. Dr. Michael Strasser) durchgeführt.

Das Facealps-Projekt
In FACEALPS wird die Mensch-Umwelt-Beziehung über die letzten 3.500 Jahre rund um den Hallstätter See erforscht. Wie griffen die Menschen in ihre Umwelt ein? Welchen Einfluss hatten Umweltveränderungen auf die Menschen rund um den Hallstätter See? Archäologie, Bathymetrie, Botanik, Dendrochronologie, Geologie, Palynologie und Sedimentologie sind an dem Projekt beteiligt. Auf dem Wasser, am Seeboden, im Hochtal und um den See werden Forscherinnen und Forscher eng vernetzte Untersuchungen zu diesem vielschichtigen Themenfeld anstellen. Durch diese Forschungen erhoffen sich die Wissenschafterinnen und Wissenschafter auch tiefere Einblicke in das Zusammenspiel von Mensch und Natur im alpinen Raum generell. Über die letzten Jahre wurden am Naturhistorischen
Museum Wien zahlreiche Voruntersuchungen geleistet und ein tragfähiges Forschungsnetzwerk aufgebaut.

Ideale Bedingungen
Die Landschaft rund um den Hallstätter See bietet erstklassige Bedingungen für die Erforschung der Mensch-Umwelt-Beziehung. Dies hat mehrere Gründe: Die UNESCO-Welterbe-Region zählt zu den ältesten Kultur- und Industrielandschaften der Welt. Untertägiger Salzbergbau ist hier seit dem 15. Jh. v. Chr. nachgewiesen. Seit Jahrtausenden leben und wirtschaften Menschen in diesem Raum. Die Informationslage im Hinblick auf die Aktivitäten der Menschen in prähistorischer und historischer Zeit ist sehr gut. Die archäologische Fundlandschaft im Hochtal zeichnet sich durch ihre einzigartigen Erhaltungsbedingungen und die hohe Dichte an Fundstellen aus. Auch der jüngere Bergbau, vor allem jener der frühen Neuzeit, ist durch zahlreiche historische Aufzeichnungen gut bekannt. Schließlich gibt es hier verschiedene Typen von Umweltarchiven in unterschiedlichen Naturräumen.

Seen und Moore – Schatzkisten der Umweltgeschichte
In der ersten Projektphase steht die Erhebung von Umweltdaten im Fokus der Forschungsarbeiten. Moore und Seen sind wertvolle Umweltarchive, die eine Fülle an Informationen bergen. Blütenstaub, Reste von Tieren, wie Insekten oder Muschelkrebse sind in die Schlammschichten am Seeboden und in Moore eingelagert. Sie liefern reiche Informationen über klimatische Bedingungen, Vegetationsentwicklung, Erosion, natürliche Extremereignisse und die Eingriffe des Menschen in seine Umwelt. Auch aus der Dicke der Sedimentschichten und ihrer geochemische Zusammensetzung lassen sich zahlreiche Informationen ablesen. Das Bodensediment des Sees wurde mehrfach beprobt, und auch aus einem Moor im Hallstätter Hochtal wurden Bodenproben entnommen. Aktuell werden diese Proben an der Universität Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften bio- und geowissenschaftlich ausgewertet.

Projektziele
Ziel der hochauflösenden Vermessung des Hallstätter Sees ist es, Hinweise auf extreme Naturereignisse, wie Felsstürze, Massenbewegungen oder auch Erdbeben aufzudecken. Die Untersuchungen sind Teil der ersten Projektphase, in der unter anderem ein Register extremer Naturereignisse im Umfeld des Hallstätter Sees aufgebaut wird. Der See und sein Umfeld stellen ein ideales Untersuchungsgebiet dar. Sie liegen im Herzen einer der ältesten Wirtschaftslandschaften der Welt. Spätestens seit der Bronzezeit
wurde im Hallstätter Salzberg Salz abgebaut.

Danksagung
Neben der wissenschaftlichen Zusammenarbeit sind auch Kooperationen mit den Institutionen und Privatpersonen vor Ort von großer Bedeutung für das Gelingen des Projekts. Im Besonderen die Gemeinde Hallstatt, die Österreichischen Bundesforste, der Reinhaltungsverband Hallstätter See, die Salinen Austria AG und die Salzwelten GmbH sowie die Freiwillige Feuerwehr Hallstatt und der Musealverein Hallstatt tragen wesentlich zu diesem Projekt bei.

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