Entwicklungen & Trends Skibergsteigen

Bild: Simone Binder
Bild: Simone Binder

Am 16.01.2018 fand im Autohaus Sonnleitner in Salzburg – langjähriger Kooperationspartner von SKIMO Austria – die jährliche Pressekonferenz zum Thema “Wirtschaftswunder Tourenskisport” statt.
Karl Posch, Betreiber der Online Plattform SKIMO Austria, präsentierte gemeinsam mit Gernot Kellermayr (VSSÖ Präsident), Michael Költringer (Marketing Manager Dynafit Österreich) und Maximilian Hofbauer (Geschäftsführer Bergzeit.at Onlinehandel) aktuelle Zahlen und Fakten im Skitourensport. Das Thema „Trend Pistentouren – Chancen und Herausforderungen“ wurde von Helmut Schwarzenberger (Landesgeschäftsführer Naturfreunde Salzburg), Günther Brennsteiner (Prokurist Gletscherbahn Kaprun AG) und Richard Lenz (2. Bürgermeister Gemeinde Schönau am Königssee) näher beleuchtet. Für den dritten Themenblock „ALPENCUP 2018 – Die Rennserie auf Weltcup-Niveau“ waren die beiden Rennveranstalter Thomas Wallner (Hochkönig Erztrophy) und Richard Lenz (Jennerstier) am Podium.

Der Hype um das Thema Skitouren gehen ist so groß wie nie
Tourenskigehen, Skibergsteigen oder Skitouren gehen – all diese Bezeichnungen stehen für ein und dieselbe Sportart: Ski anschnallen und auf Fellen verschneite Hänge oder Pisten hinaufgehen. Kaum eine andere Sportart in Österreich hatte in den letzten Jahren einen derartig positiven Aufwärtstrend und etablierte sich zu einem so beliebten Breitensport. Der schrullige Außenseiter in Knickerbocker wurde von den deutlich jüngeren Multisportlern abgelöst. Mountainbiken, Berglauf, Wandern und Klettern im Sommer, wird im Winter durch das Fitnesstraining auf den Skiern ergänzt. Die Grenzen zwischen Winter und Sommer verschwinden, denn die Zielgruppe verlangt nach saisonübergreifenden Sportarten.

Skibergsteigen erweckt das Interesse bei jungen Skibergsteigern, Familien und Frauen
Auffällig ist, dass es sich bei Skitourengeher um keine Einzelgänger mehr handelt, sondern um sehr gut vernetzte Personen und Gruppen. Besonders in so genannten Skitouren Hotspots, wie im Raum Salzburg, hat sich das Skitouren gehen zu einem sozialen Faktor etabliert: „wenn man kein Skitourengeher ist, ist man fast out“, so Karl Posch. Eine weitere Wende gibt es hinsichtlich Demographie: lange Zeit wurde die Sportart hauptsächlich von Männern betrieben. Umso erfreulicher ist es, dass in den letzten Jahren auch immer mehr Frauen sich für die Sportart begeistern konnten. Und durch neue Produktlinien im Sortiment der Hersteller, wird das Skitouren gehen auch immer interessanter für Kinder und Jugendliche. Besonders leichte und drehfreudige Ski erleichtern den Einstieg für die Jüngsten und macht den Sport zu einem Erlebnis für die ganze Familie.

Deutliches Umsatzwachstum – Österreich bleibt weiterhin Marktführer
Trotz mehreren schneearmen Saisonen in Folge, gingen die Verkaufszahlen in den letzten Jahren kontinuierlich nach oben. Besonders erfreulich ist, dass die Skination Österreich seit Jahren auch beim Skibergsteigen weltweit die Nase vorne hat: Österreich hält mit etwa 21% den größten Marktanteil am weltweiten Skibergsteiger-Markt, gefolgt von USA und Kanada mit jeweils 16% sowie Schweiz, Frankreich und Italien mit je 12%. In der Saison 2016/17 wurden in Österreich 53.000 Paar Tourenski (+6%), 75.000 Paar Felle (+7%), 45.000 Tourenbindungen (+8%) und 42.000 Paar Tourenskischuhe (+5%) verkauft.

Skibergsteigen hat sich über die letzten Jahre auf Platz 2 bei den Winter-Verkaufszahlen positioniert und ist für den Handel zu einem nicht mehr wegzudenkenden, wichtigen Geschäftszweig geworden. Betrachtet man die Umsatzzahlen, so beläuft sich der Industrieumsatz bei Skitourenski in Österreich 2016/17 auf 190 Millionen Euro, der gesamte Wintersport Industrieumsatz auf 1,1 Milliarden Euro. Zählt man Industrie und den Tourismus in Österreich zusammen, ergibt dies einen geschätzten Umsatz zwischen 7 und 11 Milliarden für die Wintersaison 2016/17.

Im Vergleich zu weiteren Wintersportarten wie etwa Alpinski, Langlauf und Snowboard ist Skibergsteigen nach wie vor auf dem Erfolgskurs. In Österreich wurden letzte Saison 325.000 Paar Ski (-12%) verkauft. Snowboard hingegen hat sich bei knapp 22.000 verkauften Stück in den letzten Jahren eingependelt. Auch im Bereich Langlauf gibt es kaum Veränderungen zu den vergangenen Jahren (39.000 verkaufte Stück). Gernot Kellermayr, Präsident des Verbandes der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs (VSSÖ), ist mit der Entwicklung zufrieden: “Für den Handel hat sich Skibergsteigen zu einem sehr attraktiven Segment entwickelt. Der Bedarf an Skibergsteiger-Ausrüstung steigt erfreulicher Weise kontinuierlich an. Klare Gewinner sind Spezialisten und Fachhändler, die mit persönlicher Beratung und Individualisierung bei Angeboten und Produkten punkten können. Sowohl der stationäre Handel, als auch der Onlinehandel verzeichnet ein Umsatzplus von über 15%.“

Maximilian Hofbauer, Geschäftsführer von Bergzeit.at, ergänzt:
„Wir merken vor allem im Skitourenbereich, dass dem Kunden der persönliche Kontakt besonders wichtig ist. Bei so einer leidenschaftlichen Sportart geht es viel um den Austausch und das Miteinander. Hier können wir im Vergleich zum Discounter punkten.“

Größtes Umsatzplus zeigt sich bei Bekleidung
Insgesamt ist das Angebot für Skitourengeher so groß und breit wie nie. Dies zeigt sich vor allem bei der Anzahl der Hersteller und der Produktvielfalt – sehr zum Vorteil des Endkonsumenten, für den der Preis und das Angebot besonders attraktiv sind. Das größte Umsatzplus ist eindeutig bei Bekleidung erkennbar. Über die letzten fünf Jahre hat sich ein Wandel von der klassischen Sportbekleidung hin zur sportlichen und funktionellen „Urban Outdoor Bekleidung“ abgezeichnet. Konsumenten tragen ihre Funktionsbekleidung einerseits im Alltag, aber auch für mehrere Sportarten. Vor allem Bekleidung für Skibergsteiger zeichnet sich durch ein hohes Maß an Multifunktionalität aus. Die vielen unterschiedlichen Bekleidungsschichten können perfekt für alternative Sportarten wie Wandern, Mountainbiken oder Laufen ebenso verwendet werden.

Michael Költringer, Marketing Manager Dynafit Österreich, führt das große Umsatzplus in der Bekleidung unter anderem auf den steigenden Frauenanteil zurück:
„Wir merken, dass sich das Verhältnis Männer-Frauen im Tourenskisport deutlich verändert hat. Der Anteil hat sich von 70:30 auf fast 50:50 positiv verändert. Dies zeigt sich bei Textilien, wo wir einen großen Wachstumsmarkt sehen. Frauen sind einfach modebewusster.“

Aber nicht nur im Textilbereich gibt es eine positive Entwicklung, sondern auch bei Hartware. Der Skitourensport ist eines jener Segmente, welche Innovationen und technische Entwicklungen am meisten vorantreiben. Im Vordergrund stehen leichte Hightech-Produkte, die trotz ihres Gewichts ein hohes Maß an Sicherheit und Stabilität gewehrleisten. Sportartübergreifende Technologietransfers von Skibergsteigen zu Alpinski sind üblich geworden. Beispielsweise wird die „GripWalk Sohle“ – eine Kunststoffsohle mit besonders gutem Grip auf Schnee und Eis – mittlerweile auch für Alpinskischuhe verwendet.

Der steigende Absatz ist vor allem dem stetigen Wachstum der bergaffinen Zielgruppe, mit deutlichem Zuwachs bei Jugendlichen, jüngeren Skitourengehern und Frauen, zuzuschreiben. Der Österreichische Alpenverein und SKIMO Austria schätzen, dass es in Österreich deutlich mehr als 500.000 Breitensportler im Skibergsteigen gibt, mit einem jährlichen Gesamtwachstum von etwa 1%. Davon zählen rund 70.000 Skibergsteiger zu den Fitnessgeher (+17%) und 6.000 zu Wettkampfsportler (+3% p.a.), welche sich bei über 100 durchgeführten Rennen in Österreich messen können.

Karl Posch, Betreiber der Webplattform von SKIMO Austria führte weitere Veränderungen in der Zielgruppe an:
“Es stimmt, dass es einen großen Wandel in der Zielgruppe und vor allem auch in der Art der Ausübung sowie in der Altersverteilung gibt. Skibergsteigen wird von immer mehr jungen Menschen betrieben. Besonders erfreulich ist das große Interesse bei den Jugendlichen. Auffällig ist auch, dass immer mehr Tourengeher auf Pisten unterwegs sind. Vor allem bei wenig Schnee oder für die ersten Skitouren nutzen viele die Infrastruktur im Skigebiet und auf der Piste. Aber auch die ambitionierten Skibergsteiger und Rennläufer werden immer mehr. Mit über 100 Rennen in Österreich und einem steigenden Interesse, sich in Wettkämpfen zu messen, ist klar erkennbar, dass Skibergsteigen eine ernstzunehmende Sportart geworden ist – vom Genussgeher bis zum Rennläufer.“

Gemeinsame Fair-Play Regeln für Pistentourengeher und Integration ins lokale Wintersportkonzept
Das Tourengehen auf Skipisten ist in den letzten Jahren sehr beliebt geworden. Dementsprechend hoch ist das Konfliktpotential zwischen Bergbahnbetreiber, Skifahrer und Skitourengeher. Helmut Schwarzenberger, Landesgeschäftsführer der Naturfreunde Salzburg, appelliert klar an ein faires Miteinander und zu einem „Nein“ zu generellen Verboten:
„Die Naturfreunde stehen grundsätzlich für den freien Zugang zur Natur. Wir verstehen, dass die Situation auf so mancher schmalen Kunstschneepiste schwierig ist. Aber die alpinen Vereine, das Kuratorium für alpine Sicherheit und die Seilbahnunternehmer haben gemeinsame Fair-Play-Regeln für Pistentourengeher erarbeitet. Nur bei Berücksichtigung dieser Regeln kann ein faires und sicheres Miteinander auf der Piste funktionieren.“

Der Trendsport Pistentourengehen birgt nicht nur Konfliktpotential, immer mehr Modellregionen zeigen, dass auch ein verträgliches Miteinander aller Pistenbenutzer auf Basis klarer Regelungen umgesetzt werden kann. Als Vertreter für ein Skigebiet, wo dies seit Jahren funktioniert und umgesetzt wird, ist das Kitzsteinhorn. Günther Brennsteiner, Prokurist der Kaprun Bergbahn AG, steht dem zunehmenden Skitouren-Boom positiv entgegen: „Wir hatten ähnliche Diskussionen bereits vor vielen Jahren mit den Snowboardern und dann mit den Freeridern. Wir wissen, dass es Miteinander funktioniert und wollen den Megatrend Tourenski nutzen. An Spitzentagen verzeichnen wir zwischen 600 und 1.000 Skitourengeher. Bei uns gibt es ausgewiesene Routen für Skitourengeher und Infotafeln zu Verhaltensregeln. Interessanterweise gab es noch nie eine Kollision zwischen einem Skibergsteiger und einem Skifahrer, sehr wohl aber viele Kollisionen zwischen Skifahrern.“

Ein weiteres positives Beispiel, wo ein Miteinander sehr gut funktioniert, ist das Familienskigebiet Jenner am Königssee in Berchtesgaden (DE). Auch hier lockt das Skigebiet mit Angeboten für alle Wintersportler von Groß bis Klein. Vom Tourenskigeher, über Skifahrer bis hin zu Schneeschuhwanderer und Schlittenfahrer sind alle willkommen. Wichtig sind Grundregeln, die jeder einzelne einhalten muss.

Die ALPENCUP Rennen werden zur Weltcupbühne der Skibergsteiger
Nach einer gelungenen ALPENCUP-Premiere im Jahr 2017 gibt es heuer eine Fortsetzung dieser europäischen Cupserie. Die Idee des ALPENCUPS ist es, im Alpenraum ein Veranstaltungsformat zu präsentieren, das mit Distanzen und Höhenmeter eines Weltcup-Rennens in allen Grundzügen gleichzusetzen ist. Drei hochwertige, alpine Rennen aus Österreich, Deutschland und Italien schließen sich dafür zu einer gemeinsamen Cupwertung zusammen, die sozusagen den „Skibergsteigerkönig bzw. die Skibergsteigerkönigin der Alpen“ kürt.

Gestartet wird die Rennserie in Österreich, im Zuge der dreitägigen Erztrophy (02.-04. Februar 2018) in Bischofshofen, wobei nur die Rennen am Samstag, 03.02.2018 und Sonntag, 04.02.2018 zur Cupwertung zählen. Anschließend macht die Tour Halt im schönen Berchtesgadener Land in Deutschland. Beim Jennerstier (17.-18. Februar 2018) können die Athleten quasi auf Toni Palzer’s Trainingsstrecke, einem der weltbesten Skibergsteiger, ihr Können unter Beweis stellen. Den krönenden Abschluss findet der ALPENCUP dann im Rahmen der Marmotta Trophy (10.-11. März 2018) im Südtiroler Martelltal.

Aus den Reihen der Rennveranstalter klingt eine freudige Erwartungshaltung durch. Thomas Wallner, Organisator der Hochkönig-Erztrophy, welche das erste Rennen im Alpencup ist, ist schon sehr gespannt:
„Ich freue mich sehr, dass der ALPENCUP ins Leben gerufen wurde. Vor allem international gesehen bringt und die Rennserie enorm viel. Heuer haben wir beispielsweise Anmeldungen aus acht Nationen, unter anderem aus Russland und Rumänien. Neu ist heuer auch, dass das Rennen zur ISMF Series Tour gehört. Dies hat den Hintergrund, dass wir 2020 einen Weltcup austragen möchten und uns die ISMF heuer besonders genau unter die Lupe nimmt. Geht uns dieses Konzept auf, ist der Skiclub Bischofshofen der erste Skiclub weltweit, der in zwei unterschiedlichen Disziplinen einen Weltcup umsetzt.“

Auch die Veranstalter des Jennerstier planen ein Weltcup-Rennen: Mit Eröffnung der Jennerbahn soll der erste Weltcup im Skibergsteigen in Deutschland umgesetzt werden. Nachdem der Internationale Verband ISMF bereits zweimal zu einer Homologation vor Ort war, steht einem Weltcup 2019 so gut wie nichts mehr im Weg.

Ausblick
Zum Schluss fasste Karl Posch ein paar Trends zum Massenphänomen Skibergsteigen zur angeregten Diskussion zusammen: “Unserer Einschätzung nach wird sich der Aufwärtstrend in den nächsten Jahren verflachen. Der Markt ist zwar noch nicht gesättigt, dennoch müssen neue Chancen und Potenziale erkannt und als Impulse wahrgenommen werden. Vor allem im Bereich Tourismus, Kinder- und Jugendangeboten sowie im Verleih könnten sich in den nächsten Jahren viele Möglichkeiten ergeben und zu einer positiven Entwicklung der Wertschöpfung beitragen.“

Zusammenfassend sind sich die Vertreter der Sportindustrie, Athleten und Szenekenner einig: die Zukunft des Skibergsteigens sieht weiterhin rosig aus und bietet noch reichlich unausgeschöpftes Potenzial. Vor allem durch die olympische Anerkennung hat auch die wirtschaftliche Bedeutung wieder einen großen politischen Schub erhalten.

Mehr Infos unter www.skimo.at, der Webplattform für alle Themen rund ums Skibergsteigen.

Foto 1 -- [SKIMO Pressekonferenz mit Experten der Skibergsteiger-Szene. v.l.n.r.: Karl Posch, Michael Költringer, Maximilian Hofbauer, Helmut Schwarzenberger, Richard Lenz, Günther Brennsteiner, Gernot Kellermayr, Thomas Wallner]
Bild: Simone Binder

Weitere Meldungen