Die Waldrappe sollen Geheimnisse des Formationsflugs bei Zugvögeln enthüllen

Formationsflug der Waldrappe während der menschengeführten Migration. Foto P Przewang.
Formationsflug der Waldrappe während der menschengeführten Migration. Foto P Przewang.

Waldrappe zählen zu den bedrohtesten Vogelarten der Erde. In Europa sollen sie im Rahmen eines europäischen LIFE Projektes wieder angesiedelt werden.

Kernmethode der Wiederansiedlung ist die menschengeführte Migration mit jungen Waldrappen. Dazu werden Küken aus österreichischen Zoohaltungen auf menschliche Zieheltern geprägt und darauf trainiert hinter zwei Ultraleicht-Fluggräten nachzufliegen, die ihnen den Weg vom Brutgebet nördlich der Alpen in das Wintergebiet in der südlichen Toskana zeigen. Jeder Vogel folgt nur einmal den Fluggeräten in den Süden. Fortan kennt er den Weg und kehrt spätestens nach drei Jahren als geschlechtsreifer Vogel in das Brutgebiet zurück.

Johannes Fritz, Leiter des Waldrappteams: Die jährlich durchgeführte menschengeführte Migration mit den Waldrappen ist eine weltweit einzigartige Möglichkeit um grundlegende Fragen zum Vogelflug zu untersuchen. Seit Jahren erforschen wir den Mechanismus und die Funktion des Formationsflugs und konnten dazu bereits maßgebliche Ergebnisse veröffentlichen.

Eine von einem internationalen Forscherteam im Magazin NATURE veröffentliche Studie zeigt, dass sich Waldrappe, die in einer geordneten V-Formation fliegen, sehr präzise koordinieren. Sie verhalten sich dabei in einer Art und Weise, die mathematischen Modellen zufolge eine Energieersparnis bedingen. Grundprinzip ist, dass an der Außenseite eines Flügels beständig ein Aufwind erzeugt wird, den ein nachfolgender Vogel nutzen kann um Auftrieb zu bekommen. Dazu muss er aber konstant seitlich versetzt in einem bestimmten Abstand zum vorderen Vogel fliegen und zudem seinen Flügelschlag mit dem des voranfliegenden Artgenossen koordinieren. Genau dies tun die Waldrappe.

Eine resultierende Frage ist, welche Vögel voranfliegen und welche von der Formation profitieren, vergleichbar der Situation einer Gruppe von Radfahrern, bei denen die hinteren Fahrer vom Windschatten der Vorderen profitieren. In einem weiteren Artikel konnten die Forscher zeigen, dass der Formationsflug der Waldrappe ein im Tierreich seltenes Beispiel von echter Kooperation ist. Die Vögel wechseln in Laufe des Fluges beständig ihre Positionen in der Formation, sodass im Mittel jedes Mitglied der Gruppe in ähnlichem Umfang profitiert.

Jetzt wurde dem Waldrappteam vom Österreichischen Wissenschaftsfond (FWF) ein weiteres, dreijähriges Forschungsprojekt zuerkannt, finanziert zur Hälfte aus Mitteln des Bundeslands Tirol und zur Hälfte aus Mitteln der Nationalstiftung für Forschung. Bernhard Völkl, Forschungskoordinator des Waldrappteams: Im neuen Forschungsprojekt wollen wir die einzigartigen Möglichkeiten der menschengführten Migration mit den Waldrappen nutzen, um mit einem internationalen Team dieses so bekannte und faszinierende Phänomen des Formationsflugs der Zugvögel tiefgreifend zu erforschen.

Dabei sollen alle Vögel mit Datenloggern ausgestattet werden, die in hoher Frequenz und Präzision die Position des Vogels und seinen Flügelschlag aufzeichnen. Insbesondere aber soll mit am Körper anliegenden Sensoren die Herzfrequenz und die Körpertemperatur der Vögel gemessen werden, um so erstmals den tatsächlichen Energieverbrauch während des Fluges und damit auch die Energieersparnis des Formationsflugs zu erfassen. J Fritz: Diese Datennahmen sind eine technische Herausforderung. Zudem dürfen die Tiere durch die Datennahmen möglichst wenig beeinflusst werden um die Zielsetzungen des Artenschutzprojektes nicht zu gefährden. Die Forschung hilft uns aber auch dabei, die Methoden für die Wiederansiedlung beständig zu optimieren.

Die angesiedelte Waldrapp-Population umfasst inzwischen annähernd 90 Tiere, die regelmäßig zwischen den Brutgebieten nördlich der Alpen und dem Wintergebiet in der Toskana migrieren. Eine aktuell am Leibnitz Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin durchgeführte Modellierung hat gezeigt, dass die Population ein gutes Potential hat, nachhaltig zu überleben und in den nächsten 15 Jahren auf einen Umfang von bis zu 1000 Tieren anzuwachsen.

Wesentlich dafür ist aber, dass die Verlustrate weiter reduziert wird. Im Vordergrund ist dabei der Tod der Vögel durch Stromschlag an Mittespanungsleitungen. Johannes Fritz: In Österreich ist der Tod durch Stromschlag die mit Abstand bedeutendste menschlich bedingte Todesursache bei Großvögeln wie dem Waldrapp. An sich ist das einfach zu verhindern, indem die Leitungen im Bereich der Masten mit sogenannten Vogelschutzhauben gesichert werden. Wir sind bemüht in Zusammenarbeit mit den Stromnetzbetreibern entsprechende Maßnahmen umzusetzen.

In den nächsten Jahren plant das Waldrappteam Sicherungsmaßnahmen in den Ländern Salzburg, Tirol und Kärnten, um den Bestand der Waldrappe und anderer Großvögel nachhaltig zu sichern.

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