Bilanz der AK Gmunden im Krisenjahr 2020: Telefonische und E-Mail-Beratung deutlich gestiegen – 14,2 Millionen Euro erkämpft

Bezirksstellenleiter Dr. Martin Kamrat, LL.M. © Erwin Wimmer, Arbeiterkammer Oberösterreich
Bezirksstellenleiter Dr. Martin Kamrat, LL.M. © Erwin Wimmer, Arbeiterkammer Oberösterreich

Die Covid-19-Krise schlägt sich auch in der Bilanz der AK Gmunden über das Jahr 2020 nieder: Die Sorgen, Ängste und Probleme der Beschäftigten im Bezirk führten zu einer Steigerung der telefonischen Beratungen um 44 Prozent. Die Beratungen per E-Mail haben sich mehr als verdoppelt. Insgesamt suchten 9801 Arbeitnehmer/-innen Rat und Hilfe.


„Viele Anfragen gab es wieder wegen Unklarheiten bei der Entlohnung, bei Kündigungen bzw. der Auflösung von Dienstverhältnissen sowie zur Pension und zu Endabrechnungen. Corona-bedingt kamen aber neue Themen hinzu: Zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer suchten bei uns Antworten auf ihre Fragen zu Kurzarbeit, Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Kinderbetreuung, Home-Office und Auslandsurlauben. Trotz vieler neuer und teils schlampig formulierter Gesetze und Verordnungen haben sich unsere Beraterinnen und Berater innerhalb kürzester Zeit in diese Materien eingearbeitet und dafür gesorgt, dass die Mitglieder mit den Auskünften, die sie bei uns dazu erhalten, hoch zufrieden sind“, sagt der Leiter des AK-Rechtsschutzes und stellvertretende AK-Direktor Mag. Ernst Stummer. Erkämpft hat die AK im Bezirk alles in allem 14,2 Millionen Euro.


Rekordzahlen auch für ganz Oberösterreich

Noch nie suchten so viele Menschen Rat und Hilfe bei den Servicestellen der AK Oberösterreich wie im Jahr 2020. „Die Zahl der Anfragen erreichte eine Rekordhöhe: Rund 375.000 Anfragen bearbeiteten die AK-Expertinnen und -Experten“, so Ernst Stummer.


119,7 Millionen Euro für die oberösterreichischen Beschäftigten erkämpft

Durch Lockdown und Corona-Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz waren persönliche Beratungen nur mehr eingeschränkt möglich. Ihr Anteil sank übers Jahr gerechnet um 28 Prozent auf rund 45.000. Das tat der Beratungsqualität jedoch keinen Abbruch. Denn umso mehr wurden Telefon und Internet als Instrumente der Fragebeantwortung genutzt. So stieg die Zahl der Mail-Anfragen um 71 Prozent auf mehr als 50.000. Die meisten Anfragen erfolgten per Telefon. Fast 280.000 mal griffen die AK-Mitglieder zum Hörer, um sich Rat zu holen. Das entspricht einem Anteil an den Gesamtberatungen von 74,6 Prozent (+ 20 Prozent).


Trotz der Ausnahmesituation kam die „klassische“ Rechtsberatung nicht zu kurz. Insgesamt konnte die AK Oberösterreich 2020 für ihre Mitglieder 119,7 Millionen Euro erkämpfen. Geld, das den Betroffenen eigentlich zugestanden wäre, das sie aber erst mit Hilfe der Arbeiterkammer bekommen haben: darunter vorenthaltene Löhne, unbezahlte Überstunden oder fehlende Kündigungsentschädigungen. Der Großteil – rund 56,2 Millionen Euro – entfiel auf das Sozialrecht. Ein weiterer großer Anteil – nämlich 46,4 Millionen Euro – wurde in Insolvenzverfahren für die von Firmenpleiten betroffenen Beschäftigten erkämpft. Und in Arbeitsrechtsangelegenheiten holte die AK 13,8 Millionen Euro herein, rund zwei Millionen mehr als im Vorjahr. Der Rest des Gesamtbetrags entfällt auf Interventionen in Konsumentenschutzangelegenheiten und auf die Lohnsteuerberatung.


AK OÖ-Homepage stark nachgefragt

Der Auskunftsbedarf und die vorübergehende Einstellung der persönlichen Beratungen wirkten sich im Vorjahr auch auf die Nutzung der Website der AK Oberösterreich – ooe.arbeiterkammer.at – enorm aus. Sie legte bei den Seitenaufrufen und Besuchen stark zu. Die Website wurde um 50 Prozent mehr genutzt als im Jahr davor. Der größte Teil des Zuwachses lässt sich auf die spezifisch für Corona relevanten arbeitsrechtlichen Themen zurückzuführen. Der Online-Besuch des Bereichs „Arbeit & Recht“ verdreifachte sich nahezu von 521.000 auf 1.371.660 Seitenaufrufe (+ 165 Prozent).



Sozialpartnereinigung mit Regierung bringt bessere Home-Office Regeln

AK-Tool H.O.T.T. klärt offene Fragen zum Heim-Arbeitsplatz

Die Arbeit im Home-Office hat durch die Corona-bedingten Lockdowns eine unglaubliche Dynamik erfahren. Nutzten vor Beginn der Pandemie nur rund fünf Prozent der Arbeitnehmer/-innen in Österreich Home-Office, arbeiteten laut einer IFES-Erhebung im April und im Oktober 2020 bereits rund 40 Prozent der Beschäftigten von Zuhause aus. Nach mehrmonatigen Verhandlungen haben sich Sozialpartner und Bundesregierung in der Vorwoche auf eine Home-Office-Regelung geeinigt. Die Bemühungen der AK haben sich ausgezahlt, endlich gibt es klare Rahmenbedingungen für die Arbeit zuhause. Zentraler Punkt ist die Freiwilligkeit. Niemand kann gezwungen werden, im Home-Office zu arbeiten. Die Nutzung von Home-Office muss in Zukunft schriftlich vereinbart werden.


Die neuen Regeln stellen klar, dass der Arbeitgeber Arbeitsmittel wie Laptop, Handy und auch WLAN bereitstellen muss oder einen Kostenersatz zahlen muss. Die Abschreibung von Kosten für Anschaffungen und die Steuerfreiheit für Zuschüsse vom Arbeitgeber sorgen dafür, dass Betroffene einen finanziellen Ausgleich bekommen. Zudem ist nunmehr das wichtige Thema Unfallversicherung geregelt. Das betrifft auch Wegunfälle vom Home-Office in die Arbeitsstätte, zu einem Arzttermin oder wenn man die Kinder in den Kindergarten bringt.


Die AK Oberösterreich hat schon vor Wochen mit dem Home-Office-Test-Tool H.O.T.T. ein interaktives Serviceangebot für die Beschäftigten gestartet. Dieses bietet wichtige Informationen zur Home-Office-Thematik und stellt zehn Fragen an den Nutzer. Die individuelle Auswertung liefert Erkenntnisse zur persönlichen Arbeitsplatzgestaltung sowie zu organisatorischen und rechtlichen Aspekten. Weitere Infos und eine Home-Office-Mustervereinbarung werden per E-Mail zugesandt. Mehr unter hott.arbeiterkammer.at


Erfolge auf interessenpolitischer Ebene

„Die AK war im Jahr 2020 nicht nur auf persönlicher Ebene für die Mitglieder da, sondern auch auf interessenpolitischer Ebene. Durch Stellungnahmen, Gesetzesbegutachtungen und Forderungen konnten Verbesserungen für die Arbeitnehmer/-innen durchgesetzt werden“, erklärt AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz zum Schutz von schwangeren Beschäftigten: Die AK Oberösterreich hatte schon während des ersten Lockdowns im März ein präventives Beschäftigungsverbot für Schwangere während der Corona Krise gefordert. Mit einer neuen Regelung sind nun viele schwangere Beschäftigte in der Pflege, in der mobilen Pflege Krankenhäusern, in Kinderbetreuungseinrichtungen und anderen Bereichen mit direktem Körperkontakt zu anderen Personen (Friseurinnen, Physiotherapeutinnen, Kosmetikerinnen, Masseurinnen) besser geschützt. Wenn eine Änderung der Arbeitsbedingungen (kein Körperkontakt, Mindestabstand von zwei Metern) oder die Beschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz (etwa Home-Office) nicht möglich ist, dann hat die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Freistellung unter Fortzahlung des bisherigen Entgelts. Wird die Freistellung in Anspruch genommen, haben Arbeitgeber einen Anspruch auf Ersatz des Entgelts.

Telefone liefen auch in der AK Gmunden heiß

Die weltweite Krise forderte die Arbeitnehmer/-innen auch im Bezirk Gmunden so stark wie noch nie: Zu den traditionell häufigen Anfragen rund um die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, zum Entgelt und zu Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension kamen neue Themen hinzu. Rekordarbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Ängste vor Jobverlust, Probleme bei der Organisation der Kinderbetreuung und finanzielle Sorgen ließen viele Beschäftigte verzweifeln – und die Telefone der Bezirksstelle heiß laufen. Dabei war die Beratung der AK-Mitglieder gar nicht so einfach: „Ein großer Dank gilt meinen Kolleginnen und Kollegen durch deren Flexibilität und Einsatz es möglich war, für unsere Mitglieder, trotz der schwierigen Umstände, ein bestmögliches Beratungsangebot zur Verfügung zu stellen“, sagt Bezirksstellenleiter Dr. Martin Kamrat, LL.M. „Besonders herausfordernd ist, dass der Tourismussektor, der im Bezirk Gmunden eine sehr wichtige Rolle spielt, von der Pandemie besonders stark betroffen ist. Wir setzen alles daran, unsere Mitglieder im Bezirk in dieser schwierigen Zeit bestmöglich zu unterstützen.“


9661 Beratungen – E-Mail-Anfragen mehr als verdoppelt

Zwei Drittel der Ratsuchenden nahmen eine telefonische Beratung in Anspruch (6447, +44 Prozent). Die persönlichen Beratungen gingen durch die Lockdowns um ein Drittel auf 2.325 zurück. Sprunghaft, auf mehr als Doppelte, stiegen hingegen die E-Mail-Anfragen – von 421 auf 889. Die AK-Bildungsexperten/-innen haben in Gmunden 35 persönliche Bildungsberatungen durchgeführt.


Durch außergerichtliche Interventionen wurden im letzten Jahr 468.031 Euro hereingebracht. Durch Rechtsvertretung vor dem Arbeitsgericht mussten 538.504 Euro erkämpft werden. Insgesamt wurden 342 Fälle gerichtlich oder außergerichtlich abgeschlossen. Im Fall mit dem größten Streitwert erreichte die AK eine Nachzahlung von 98.700 Euro. Aber auch bei kleinen Summen kämpft die AK konsequent um die berechtigten Ansprüche ihrer Mitglieder. In einem Fall musste die AK wegen offener 39 Euro intervenieren und diese mit Erfolg.


In Sozialrechtsangelegenheiten (Pensionen, Renten, Pflegegeld) erstritt die AK Gmunden im vergangenen Jahr in 197 Fällen insgesamt 4 355.830 Euro. Zusätzlich wurden 2020 für Arbeitnehmer/-innen aus insolventen Betrieben 8 813.657 Euro durchgesetzt. In Summe erreichte die AK Gmunden im Vorjahr an arbeits- und sozialrechtlichen Ansprüchen sowie an Forderungen nach Insolvenzen für ihre Mitglieder Zahlungen von insgesamt 14 176.022 Euro.


Ein Fall aus dem Arbeitsrecht: Jahrelang unterentlohnt – AK musste klagen.

30 Jahre lang war ein Angstellter aus dem Bezirk Gmunden bei einer Holzbaufirma als Techniker und CAD-Konstrukteur beschäftigt und wickelte für die Firma zahlreiche Bauprojekte ab. Als er den Verdacht schöpfte, dass er dafür nach Kollektivvertrag zu wenig bezahlt bekam, ließ er bei der AK Gmunden seinen Gehaltsabrechnungen überprüfen. Die AK-Rechtsexperten stellten fest, dass er tatsächlich über Jahre hinweg in einer zu niedrigen Verwendungsgruppe eingestuft gewesen war. Als der Angestellte darauf hin das ihm zustehende höhere Gehalt geltend machte, reagierte der Arbeitgeber damit, dass er ihn einfach mit anderen – geringerwertigen Aufgaben betraute! Ganz offensichtlich wollte er dadurch einer korrekten Bezahlung des langgedienten Mitarbeiters entgehen. Aus verständlichen Gründen beendete der Techniker daraufhin das Arbeitsverhältnis. Für seine berechtigten Ansprüche musste die Arbeiterkammer vor Gericht gehen und erkämpfte für die letzten drei Jahre eine Nachzahlung von mehr als 12 000 Euro. Die weiter zurückreichenden Ansprüche waren leider bereits verfallen und könnten daher nicht mehr geltend gemacht werden.


Und ein Fall aus dem Sozialrecht: Trotz schwerer Krankheiten I-Pension abgelehnt

Im Juni 2018 erlitt ein Angestellter aus dem Bezirk Gmunden einen Schlaganfall der zu dauerhaften schweren gesundheitlichen Einschränkungen führte. Zusätzlich zu den körperlichen Beschwerden litt er danach auch an Panikattacken, Angstzuständen, Depressionen und Schlaflosigkeit.


Da er seine Tätigkeit als Projektleiter nicht mehr ausüben konnte, stellte er auf Anraten seiner Ärzte bei der Pensionsversicherung (PV) einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension. Dieser Pensionsantrag wurde von der PV abgelehnt. Daraufhin wandte er sich an die Arbeiterkammer Gmunden um Hilfe. Die Sozialrechtsexperten der AK hielten den negativen Bescheid der PV für falsch und klagten für ihr Mitglied beim Arbeits- und Sozialgericht. Im Zuge des Verfahrens stellten die gerichtlich beeideten Sachverständigen eindeutig fest, dass der Mann nicht mehr arbeitsfähig ist. Er bekam endlich eine Berufsunfähigkeitspension zuerkannt.

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