Sozialhilfe kommt wegen Verschärfungen bei Armutsgefährdeten nicht an

Die aktuellen Zahlen der Statistik Austria zur Sozialhilfe in Oberösterreich für das Jahr 2020 verblüffen. Denn die Zahl der Sozialhilfebezieher/-innen in Oberösterreich sinkt im Österreich-Vergleich überdurchschnittlich stark. Für AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer ein Alarmsignal: „Aufgrund der Corona-Pandemie gab es massive Einkommenseinbußen. Die sinkenden Zahlen bedeuten nicht, dass es weniger Menschen gibt, die Bedarf an der Sozialhilfe haben, sondern sind die Folge von Einsparungen und Kürzungen bei sozialen Leistungen“, sagt er. Von der Landesregierung fordert Kalliauer deshalb eine rasche Reform.


Auf den ersten Blick scheinen die aktuellen Zahlen der Statistik Austria erfreulich: In Oberösterreich gab es im Jahr 2020 bei der Sozialhilfe einen Rückgang um rund 1.500 Personen bzw. um rund 9,5 Prozent auf 14.715 Menschen. Der österreichweite Schnitt lag bei lediglich minus 2,8 Prozent. Grund zum Jubeln gibt es aber nicht, sagt AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer: „In Oberösterreich haben Armutsbetroffene einfach im Vergleich zu anderen Bundesländern einen schlechteren Zugang zur Sozialhilfe. Die Einsparungen und Kürzungen der letzten Jahre bei diesem so wichtigen Sicherungsnetz treffen insbesondere armutsgefährdete Familien“, sagt er.


In Oberösterreich führen vor allem die gänzliche Anrechnung der Wohnbeihilfe, das Absinken der Leistungshöhe pro Kind in Mehrkindfamilien sowie Leistungsbefristungen zu einer Verschlechterung bei der sozialen Absicherung von Armutsbetroffenen. Kinderarmut wird dadurch erhöht.


Die Armutsschwelle liegt bei 1.328 Euro netto pro Monat (12-mal pro Jahr) bei einem Ein-Personen-Haushalt. Aktuell haben in Oberösterreich rund 156.000 Menschen weniger Einkommen als diesen Betrag zur Verfügung. Allerdings bekommen nur 14.715 Personen eine Leistung im Bereich der Sozialhilfe. Die Grenze für die Sozialhilfe liegt bei lediglich 949,46 Euro für Alleinstehende bzw. Alleinerziehende. „Das passt nicht zusammen, diese sogenannte Armutslücke ist viel zu hoch. Hier sieht man den enormen Reformbedarf für die neue Landesregierung. Außerdem ist es strikt abzulehnen, dass bei Mehrkindfamilien der Betrag pro Kind absinkt“, sagt Kalliauer.


Zusätzlich weist die AK auf ein weiteres drohendes Problem hin: Die Bundesregierung plant eine Reform der Arbeitslosenversicherung und will dabei eine stufenweise Kürzung beim Arbeitslosengeld mit fortschreitender Dauer der Arbeitssuche. Wegen der geplanten Verschärfungen bei der Zumutbarkeit und der Abschaffung des Zuverdiensts zum Arbeitslosengeld werden die Menschen zunehmend auf die Sozialhilfe der Länder angewiesen sein. Dies betrifft vor allem langzeitarbeitslose Menschen. Bei der Sozialhilfe werden jedoch nennenswertes Vermögen und andere Einkommen für die Berechnung des Bezugs herangezogen und man erwirbt keine Pensionszeiten.


„Arbeitslosenversicherung und die Sozialhilfe der Länder greifen immer stärker ineinander. Wenn man also die Arbeitslosenversicherung reformieren will, muss man die Sozialhilfe mitdenken. Die Sozialhilfe wird künftig an Bedeutung gewinnen und sollte daher armutsfest ausgestaltet sein“, sagt Kalliauer. Er kritisiert auch, dass die türkis-blaue Sozialhilfereform (Grundsatzgesetz und Ausführungsgesetze der Länder), die in Oberösterreich seit 1. Jänner 2020 die zuvor eingesetzte Mindestsicherung ablöste, nicht wie gewünscht zur Vereinheitlichung der Leistung führte. Stattdessen gibt es in Österreich unterschiedliche soziale Regelungen.


„Das alles geht zu Lasten der Betroffenen. Die Sozialhilfe in OÖ verschärft Armut und verschlechtert den Zugang für Betroffene, vor allem für Kinder. Die Regelung in OÖ muss daher gänzlich reformiert werden, denn das türkis-blaue Modell ist gescheitert. Vor allem sollen bedarfsgerechte Leistungen für Kinder eingeführt und die Mindestsicherung, die weitaus bessere Leistungen vorsah, wieder eingesetzt werden“, so Kalliauer.

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