BIS – Mobil vor dem Aus

Innovatives soziales Mobilitätsprojekt vor dem Aus
Innovatives soziales Mobilitätsprojekt vor dem Aus

Das äußerst erfolgreiche Sozialprojekt BIS – Mobil, das seit gut einem Jahr Transportdienstleistungen für Ältere und mobilitätseingeschränkte Personen in der südlichen Traunseeregion anbietet, soll aufgrund der Sparmaßnahmen der Bundesregierung mit 30. April 2018 den Betrieb einstellen. Neben den zahlreichen FahrkundInnen, verlieren auf einen Schlag 12 kurz vor der Pensionierung stehende FahrerInnen und Verwaltungskräfte ihre Arbeitsstelle und eine wertvolle, sinnstiftende Aufgabe für die Gesellschaft.

„Wir müssen leider bekannt geben, dass BIS Mobil aufgrund von massiven Budgetkürzungen beim AMS und der Sistierung der Aktion 20.000 durch die neue Bundesregierung vor der Einstellung steht. Wir wurden seitens unseres Fördergebers, dem Sozialministerium, mit der Schließung und der damit verbundenen Kündigung der MitarbeiterInnen des erfolgreichen Projekts beauftragt, “ bedauert Stefan Enter, Geschäftsführer des Bildungszentrum Salzkammergut. Das vom VCÖ erst Ende September 2017 mit dem Mobilitätspreis ausgezeichnete Projekt verbindet vorbildlich die Themen Arbeitsmarktintegration und soziale Dienstleistung. Einerseits haben seit Beginn 16 ältere Arbeitskräfte eine gesellschaftlich anerkannte, wertvolle Arbeit gefunden und andererseits wurde ein für den ländlichen Raum dringend notwendiges Verkehrsmodell als Ergänzung zum öffentlichen Verkehr bzw. als Kompensation für aufgelassene Linien geschaffen.
BIS Mobil ging mit Jänner 2017 in Betrieb und konnte seither BewohnerInnen der Gemeinden Ebensee, Traunkirchen und Altmünster bei ihren täglichen Fahrten zum Arzt, zur Therapie und zum Einkauf unterstützen. Seit Beginn wurden über 10.500 Fahrten durchgeführt und gerade ältere Personen erhielten wieder ein Stück an Selbstbestimmtheit und Freiheit zurück. “Vor BIS – Mobil war ich immer auf die Unterstützung anderer angewiesen und musste teilweise betteln, dass mich jemand mitnimmt“,klagt Michaela R. Frau Miehl ergänzt, dass „wichtige Buslinien eingestellt wurden, Taxis nicht ausreichend verfügbar und zu teuer sind. Zudem macht das Alter das Fahrradfahren und längere Fußmärsche nahezu unmöglich.“ Die Einstellung des Betriebs bedeutet für die Kundinnen einen schmerzhaften Wegfall ihrer Autonomie. So ist in einem konkreten Fall das selbständige Wohnen gefährdet und die Familie muss über eine Unterbringung in einem Seniorenheim nachdenken.


Zusätzlich zum Nutzen für die Fahrgäste, bedeutet die Arbeit bei BIS – Mobil Sinnstiftung, eine neue Herausforderung und viel Selbstvertrauen für 16 Mitarbeiterinnen, alle von ihnen ältere ArbeitnehmerInnen und kurz vor der Pension. 3 Personen konnten schon in die verdiente Pension wechseln und waren sehr dankbar, dass sie noch einige Zeit ihrer Erwerbstätigkeit einer sinnvollen Aufgabe widmen können. „In meinem Alter noch eine neue Herausforderung anzunehmen, machte mich unsicher und der erste Monat mit dem für mich neuen EDV -System war sehr schwierig. Ich dachte schon ans Aufhören. Jedoch taten mir das Zusammensein im Team und vor allem die positiven Rückmeldungen der KundInnen sehr gut und ich fühlte mich wieder erfüllt“, berichtet Waltraud Scheibl, Disponentin und die erste Ansprechpartnerin für die Kunden. Alle MitarbeiterInnen betonen, wie sehr diese Tätigkeit ihnen geholfen hat, sich nach den Enttäuschungen der vergeblichen Arbeitssuche wieder als produktiver, anerkannter Teil der Gesellschaft zu fühlen.
„Wir befinden uns weiterhin in Gesprächen und sind auf der Suche nach einer Lösung, um das BIS – Mobil für alle Beteiligten zu erhalten“, bekräftigt Stefan Enter und weist weiters darauf hin: „Wir sind auf alle Fälle bis 30. April 2018 unterwegs und freuen uns über viele MitfahrerInnen.“


Weitere Zitate:
„Wir „alten Hasen“, die kurz vor der Pension stehen und eigentlich nur noch am AMS vorstellig werden, bekommen noch einmal Gelegenheit zu zeigen, dass wir durchaus noch was zu leisten im Stande sind.“ Waltraud Scheibl, Disponentin
„Vor allem aber war es ein ganz tolles Gefühl wieder gebraucht zu werden, etwas für sein Geld leisten zu können.“ Ernst Neubauer, Koordination
„Selbständigkeit ohne Bittstellerei wird für die SeniorInnen wieder hergestellt. Hilfsbereitschaft wird bei BIS – Mobil groß geschrieben und das zeigt Dankbarkeit und Zufriedenheit.“ Waltraud Scheibl, Disponentin
„Mein Herzblut ist bei dieser Arbeit und ich habe mich zu 100% damit identifiziert.“ Waltraud Scheibl
„Die FahrerInnen sind mir zur Familie geworden und sie geben mir seelische Unterstützung. Die Gespräche würden mir sehr fehlen.“ Frau R., Fahrgast
„Ich stehe jetzt neben den Schuhen. Was soll ich tun? Meine Familie ist ohnehin schon überlastet und die können mich nicht auch noch unterstützen.“ Hildegund Weyermayer, Traunkirchen.
„Das bedeutet, dass wir ab jetzt daheim bleiben müssen und eingesperrt sind.“ Frau R., Ebensee
„Ich wünsche mir, dass Zuständige aus Wien zu uns kommen und sich anschauen, wie es ist ohne Bus die täglichen Erledigungen vorzunehmen. Wir sind nicht in Wien wo es an jeder Ecke ein öffentliches Verkehrsmittel gibt.“ Frau L., Ebensee


Ergebnisse und Erfahrungen Jänner 2017 bis März 2018:
Schaffung von 13 Arbeitsplätzen Übergang in die Pension für Personen, die max. 30 Monate vor Pensionsantritt standen 16 neue MitarbeiterInnen - 3 Personen konnten ihre Pension bereits antreten und gingen noch in den letzten Monaten einer sinnvollen und interessanten Tätigkeit nach
Fahrdienst und Callcenter wird von älteren ArbeitnehmerInnen versehen – Engagement, Gewissenhaftigkeit und Freude an der Tätigkeit

Neues, flexibles Transportangebot im inneren Salzkammergut
3 Fahrzeuge sind zuverlässig, pünktlich und flexibel an 7 Tagen die Woche von 7 – 20 Uhr in den Orten südlichen des Traunsees unterwegs
bisher konnten über 10.500 Fahrten disponiert und durchgeführt werden
Sehr gute Akzeptanz und Annahme seitens der BürgerInnen - durchschnittlich 30 Fahrten täglich über 130 Stammkundschaften, die mehrmals monatlich bis zu fast täglich mit BIS Mobil fahren

Zusatzaufträge und Kooperationen
Traunseetaxi und Traunsee Wintershuttle – Transport von Gästen und Einheimischen zu Wanderwegen, touristisch interessanten Punkten und Seilbahnen
Parkraumbewirtschaftung Gemeinde Ebensee
Diverse Kundensammelfahrten (Musikgruppen, Vogelfänger, ...)

Netzwerken und Öffentlichkeitsarbeit
VCÖ Mobilitätspreis 2017
Konferenz Back-to-work
Zahlreiche Berichte in regionalen und überregionalen Medien


Projektidee
Mobilität ist eine der großen Herausforderungen in ländlichen Regionen: Steigende Kosten für öffentlichen Verkehr, unrentable Linien in periphere Gebiete und reduzierte Gemeindebudgets stehen einer Ausweitung der öffentlichen Personentransporte entgegen. Zusätzlich sind ländliche Gebiete von Überalterung betroffen, da viele Jüngere in beruflich und wirtschaftlich interessante Gebiete abwandern.
Privatpersonen sind auf das eigene KFZ, Nachbarschafts/Familienhilfe oder teure (bzw. nicht vorhandene) Taxiangebote angewiesen. Jedoch bereitet gerade diese Tatsache vielen mobilitätseingeschränkten Personen große Probleme, da vielen kein eigenes Fahrzeug zur Verfügung steht, kein Führerschein vorhanden ist und/oder nicht ausreichend Finanzmittel für die Nutzung von Taxis zur Verfügung stehen. So wird der Gang zum Arzt, der Behördentermin oder die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu einem großen Thema – Familie und Freunde müssen um Unterstützung ersucht werden, externe Unternehmungen/ Unterhaltungen werden zum Spießrutenlauf, Vereinsamung ist vorprogrammiert und Erledigungen müssen langfristig im Voraus geplant werden.
Das vorliegende Beschäftigungsangebot versucht auf diese Bedürfnisse in Form eines gemeinnützigen Transportdienstleistungsunternehmens (Mikro – ÖV System) zu reagieren. Die Besonderheit liegt darin, dass Personen, die kurz vor der Pensionierung stehen, als FahrerInnen und Verwaltungskräfte den Betrieb lenken und so am Ende ihrer Erwerbstätigkeit einer sinnstiftenden, gesellschaftlich und kommunal wichtigen und verantwortungsvollen Tätigkeit nachgehen können.
Diese Fahrten erfolgen kostengünstig unter einem sozialen Aspekt für Personen mit Mobilitätseinschränkung mit ökologisch wertvollen Fahrzeugen. Diese sind besonders klimafreundlich und umweltschonend im Einsatz für das Gemeinwohl und unser Ökosystem.
Neben der Erfüllung der Transportwünsche von mobilitätseingeschränkten Personen sieht sich BIS Mobil als eine Kommunikationsplattform und in weiteren Ausbaustufen ist auch eine Nutzung für weitere private Dienstleistungsangebote angedacht (z.B. „Jausenexpress“, Lebensmittellieferservice, Erledigung von kleineren Botendiensten, Touristische Nutzung, ...).
Ziele
Das vorliegende Transportangebot beschäftigt bis zu 13 ältere Arbeitsuchende mit dem Ziel, die Zeit bis zum nahenden Pensionsantritt mit einer sinnvollen Arbeit zu überbrücken. Die Tätigkeit umfasst einerseits die Beförderung und die Koordination der Fahrten, andererseits kommt dem Fahrer eine kommunikative Rolle zu, da die KundInnen oftmals auch den Wunsch nach gesellschaftlicher Teilhabe haben.


Transportdienstleistung für Personen mit eingeschränkter Mobilität:
Kostengünstig
Barrierefrei
Zeitlich flexibel
Umweltfreundlich, ökologisch und klimaneutral

weitere soziale und gesellschaftliche Zielsetzungen:
Ergänzung zum öffentlichen Verkehr – auch in dünn besiedelten Gebieten und auf wirtschaftlich unrentablen Strecken
Umweltfreundliche, barrierefreie und leistbare Mobilität
Flexible –auf individuelle Bedürfnisse– abgestimmte Fahrangebote
Ermöglichung von breiter gesellschaftlicher Teilhabe (Ältere, Frauen, MigrantInnen,..)
Nutzung von energiesparenden Fahrzeugen
Arbeitsmarktimpuls und dauerhafte Perspektive für Ältere
Stärkung der Region Erweiterung der touristischen Angebote
BIS MOBIL – Das Angebot
Kostengünstige Transportdienstleistungen für mobilitätseingeschränkte Personen im Salzkammergut:
Anrufsammeltaxi (angemeldete Fahrten an fixen Routen als Zubringer zum Öffentlichen Verkehr) und bei zusätzlichem Bedarf Flächenfahrten (von Haustür zu Haustür)
Fahrten zu Ärzten, Therapien, Behörden, Geschäften, Verkehrsknotenpunkten,...
Einkaufsfahrten und –begleitung (Hin- und Rückfahrt, Tragen, Transport der Einkäufe, ...)
Transport zu religiösen Veranstaltungen aller Konfessionen (auch Sonn- und Feiertage)
Gesellschaftliche Veranstaltungen (Märkte, Seniorentreffs, Sport, etc.)

Regionen und Zonen
Bezirk Gmunden - Traunsee Süd (Traunkirchen, Ebensee, Altmünster - Neukirchen, Reindlmühl)
Fahrgäste
Das Angebot richtet sich insbesondere an Personen mit Mobilitätseinschränkung in den angeführten Regionen, das sind beispielsweise:
Ältere/Senioren
Personen mit körperlichen Einschränkungen
Familien mit Kleinkindern ohne Führerschein oder Fahrzeug
Etc.

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