Zwei Prozent Kaufkraftverlust in zehn Jahren

Jahrzehntelang haben sich die Unternehmen ein immer größeres Stück vom gemeinsam erwirtschafteten Volkseinkommen zu Lasten der Löhne und Gehälter geholt. Erst seit dem Finanzcrash und der Wirtschafskrise gibt es ein Auf und Ab bei Gewinn- und Lohnquote je nach Wirtschaftslage. Das heißt aber keineswegs, dass es den einzelnen Arbeitnehmern/-innen besser ginge. Mehr als drei Viertel von ihnen haben im letzten Jahrzehnt Reallohnverluste erlitten. „Dieser Trend muss umgekehrt werden. Wir fordern deutliche Reallohnerhöhungen, um die Konjunktur anzukurbeln, und eine flächendeckende Anhebung der Kollektivvertrags-Löhne und -gehälter auf mindestens 1.500 bzw. mittelfristig auf 1.700 Euro“, sagt AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer.

Die Arbeitnehmer/-innen erhielten im Jahr 2015 für ihre Arbeit 69,6 Prozent vom in Österreich erarbeiteten Volkseinkommen. Bis 2017 wird die Lohnquote wieder sinken: laut Prognose um mehr als einen halben Prozentpunkt. Ein Prozentpunkt Lohnquote kostet die Arbeitnehmer/-innen 2016 brutto etwa 2,4 Milliarden Euro (inklusive der gesamten Sozialversicherungsabgaben). Bis Mitte der 1990er-Jahre betrug die Lohnquote noch etwa drei Viertel des Volkseinkommens. Die massive Schieflage hat auch zum Krisenausbruch 2009 beigetragen.

Insgesamt gab es für mindestens drei Viertel der Lohnabhängigen im letzten Jahrzehnt Kaufkraftverluste! Wer 2014 genau in der Mitte der Einkommensverteilung verdiente, erhielt nach Abzug der Preissteigerung sowohl brutto als auch netto über zwei Prozent weniger Lohn als zehn Jahre zuvor. Und die Ungleichheit in der Einkommensverteilung nimmt weiter zu, denn das am schlechtesten verdienende Viertel der Arbeitnehmer/-innen erhielt netto real sogar um fast acht Prozent weniger als das einkommensschwächste Viertel im Jahr 2004. Erst 2016, mit dem Wirksamwerden der von Gewerkschaft und Arbeiterkammer erkämpften Lohnsteuerreform, wird es laut WIFO einen spürbaren Netto-Einkommenszuwachs von im Durchschnitt real 2,8 Prozent geben.

Die Gewinne und Vermögenseinkommen stiegen hingegen bis 2007 rasant. Das fehlt in den Geldbörsen der Arbeitnehmer/-innen, was deren Konsum einschränkte. Und die Zuwächse beim Gewinn wurden nicht etwa in beschäftigungsfördernde Sachanlagen investiert, sondern an die Eigentümer/-innen der Unternehmen ausgeschüttet bzw. am internationalen Finanzmarkt spekulativ eingesetzt. Aufgrund der Wirtschaftsschwäche nach dem Finanzcrash ist auch der Anteil der Gewinne gesunken. Er liegt aber immer noch bei hohen 30,4 Prozent.

Dass der Spielraum für kräftige Lohnerhöhungen nach wie vor groß ist, zeigen die Berechnungen der AK für ihren jährlichen Wertschöpfungsbarometer. Denn die Unternehmen schütten ihre Gewinne in enorm hohem Ausmaß an ihre Eigentümer/-innen aus, statt sie in Sachanlagen oder höhere Löhne zu investieren. Vollständige Zahlen liegen erst für das Jahr 2014 vor. Von 2004 bis zur Krise haben sich die Gewinnauszahlungen an die Eigentümer/-innen österreichischer Groß- und Mittelbetriebe pro Beschäftigtem von rund 8.400 Euro auf 15.900 Euro fast verdoppelt und verharren seither auf hohem Niveau. 2014 betrugen sie über 12.700 Euro. Selbst nach den Schwankungen seit der Krise ist das ein Anstieg um mehr als 50 Prozent in nur zehn Jahren. Der Personalaufwand pro Beschäftigter/pro Beschäftigtem hat sich im gleichen Zeitraum nur etwa halb so stark erhöht (+ 22 Prozent).

Österreichs Manager/-innen erhalten hingegen teils extreme Gagen. In den börsennotierten Top-Unternehmen kommen die Spitzen-Manager (Vorstandsvorsitzende) laut dem Unternehmensberater hkp auf durchschnittlich 2,18 Millionen Euro im Jahr 2015 - ein Plus von 36 Prozent gegenüber 2014! Dafür müssten durchschnittliche vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer/-innen länger als 50 Jahre arbeiten!

In Oberösterreich betrug das mittlere Einkommen 2015 2.191 Euro brutto im Monat, um 2,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor (Median = je die Hälfte der mehr als 630.000 Arbeitnehmer/-innen verdient mehr bzw. weniger). Männer verdienten 2.614 Euro, das Frauen-Medianeinkommen ist mit 1.593 Euro um 39 Prozent niedriger. Nach Bezirken rangieren die in Steyr Stadt arbeitenden männlichen Angestellten mit rund 4.000 Euro an der Spitze, gefolgt von Perg und Wels-Land (rund 3.580 und 3.490 Euro). Am niedrigsten sind die Einkommen der Arbeiterinnen in Rohrbach, Freistadt und Eferding mit rund 1.100 bis 1.170 Euro.

Angesichts dieser Entwicklungen fordert der AK-Präsident kräftige Lohn- und Gehaltssteigerungen und eine flächendeckende Anhebung der kollektivvertraglichen Löhne und Gehälter auf mindestens 1.500 bzw. mittelfristig auf 1.700 Euro. „Dringend nötig sind auch weitere Schritte für mehr Verteilungs- und Steuergerechtigkeit wie eine Vermögensteuer für Reiche ab einer Million Euro und die Heranziehung aller Wertschöpfungselemente - nicht nur der Lohnsumme - zur gerechteren Finanzierung sozialer Sicherheit“, sagt Kalliauer.

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