ERDGASSPEICHER: MASSNAHMENPAKET ZUR STÄRKUNG DER RESILIENZ ÖSTERREICHS

Der brutale Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine, die Zerstörung von Infrastruktur, die Ermordung von Menschen und der offene Einsatz von Energielieferungen als Waffe verdeutlicht unsere Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland. Diese Abhängigkeit schadet unseren Betrieben und belastet viele Familien. Sie leiden unter den hohen Preisen für das Gas, die sich auch auf die Strompreise auswirken. Das macht uns angreifbar und verletzlich. Deswegen stärkt die Bundesregierung mit einem Paket an Maßnahmen die Widerstandsfähigkeit Österreichs im Fall einer Unterbrechung der Lieferungen von russischem Erdgas.

„Unser Ziel ist es, die Energieversorgung unseres Landes zu sichern. Dafür setzen wir nun die notwendigen Maßnahmen. Wir erhöhen die strategische Reserve, schaffen die Voraussetzung, dass vorhandene Speicher auch genutzt werden („Use it or loose it“), werden alle Speicher an das österreichische Netz anbinden und setzen Anreize, dass Industrieunternehmen auch selbst Gas einspeichern“, so Bundeskanzler Karl Nehammer. „Die österreichischen Erdgasspeicher sollen vor Beginn der kommenden Heizsaison bestmöglich, zumindest aber zu 80% gefüllt sein. Diesem Ziel sind wir bereits ein gutes Stück nähergekommen: Der Speicherstand in den österreichischen Erdgasspeichern ist stark ansteigend. Für Gesamtösterreich beträgt er per 18. Mai 2022 25,3 TWh, das sind 26% der gesamten österreichischen Speicherkapazität.“, so der Bundeskanzler. Die Marktteilnehmer nehmen ihre Verantwortung wahr und rüsten sich für den kommenden Winter.

Um die Füllung der österreichischen Gasspeicher weiter zu beschleunigen und die Unabhängigkeit von Russland zu stärken, bringt die Bundesregierung folgende Maßnahmen auf den Weg:

1. Strategische Erdgas-Reserve als Sicherungsnetz
Der Gesetzgeber hat im Rahmen einer Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes die gesetzliche Grundlage für die Schaffung einer strategischen Gasreserve von rund 12,6 TWh geschaffen. Diese Gasreserve wird im Rahmen eines marktbasierten, transparenten, nichtdiskriminierenden und öffentlichen Ausschreibungsverfahrens beschafft und durch den Bundeshaushalt bedeckt. Sie wird den gesamten Gasverbrauch eines durchschnittlichen Jänners umfassen. Die Bundesregierung kann die Höhe der strategischen Gasreserve mit Verordnung anpassen. Die Verordnung bedarf der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates. Durch die Einführung der strategischen Gasreserve lagert der Staat Österreich durch den Verteilergebietsmanager erstmals selbst Gasreserven ein. Die Strategische Erdgas-Reserve ist ein flexibler Schutzschirm, deren Umfang durch zusätzliche Beschaffung noch weiter gestärkt wird und auch für die Diversifizierung der österreichischen Energieversorgung beitragen kann. In einem weiteren Schritt wird die strategische Gasreserve um 7,4 TWh auf insgesamt 20 TWh aufgestockt. Damit umfasst die Reserve den gesamten Gasverbrauch von zwei Wintermonaten. Diese zusätzliche Menge der strategischen Reserve soll mit nicht-russischem Gas gedeckt werden. Angesichts der großen Abhängigkeit Österreichs vom russischen Gas ist es dringend notwendig, für eine weitgehende und bestmögliche Diversifikation der Gasversorgungsquellen zu sorgen.

2. Speicherkapazitäten nützen oder weitergeben (Use-it-or-lose-it)
Speichernutzer werden verpflichtet, ungenutzte Speicherkapazitäten anzubieten oder zurückzugeben. Das ermöglicht es anderen Unternehmen, darauf zugreifen, um die Speicher zu befüllen. Bleiben Speicherkapazitäten systematisch ungenutzt, so sind diese durch das Speicherunternehmen nach vorhergehender schriftlicher Ankündigung zu entziehen. Wie im Detail die Verpflichtungen von Speichernutzern und Speicherunternehmen ausgestaltet sind, ist mit Verordnung der E-Control zu regeln.

Mit dieser Maßnahme soll verhindert werden, dass Speichernutzer aufgrund marktfremder Beweggründe ihre Speicher unbefüllt lassen. Derzeit beträgt etwa der Füllstand des Gazprom-Speichers in Haidach laut Daten des europäischen Branchenverbandes GIE null Prozent. Diese Maßnahme soll im Nationalrat mittels eines Initiativantrag zur Änderung des GWG eingebracht werden.

3. Anbindung aller vorhandenen österreichischen Speicher an das österreichische Gasnetz
Sämtliche Speicheranlagen auf dem Hoheitsgebiet Österreichs sollen an das österreichische Leitungsnetz angeschlossen werden. Damit wird sichergestellt, dass alle österreichischen Speicher auch direkt an österreichische Kundinnen und Kunden liefern können. Für betroffene Speicheranlagen ist innerhalb von vier Monaten ab Inkrafttreten ein Antrag auf Netzzugang und Netzzutritt zu stellen.

Auch diese Maßnahme erfordert eine Änderung des GWG, die diese Woche mittels Initiativantrag im Nationalrat eingebracht wird.

4. Eigeninitiatives Einspeichern für Großverbraucher unterstützen
Viele große Industrieunternehmen in Österreich wollen und können selbst Gas in Österreich einspeichern. Damit das möglich ist, brauchen die Betriebe jedoch auch die Sicherheit, dass sie im Krisenfall über ihre Gasreserven selbst verfügen können. Bisher hat diese Sicherheit oftmals gefehlt, denn im Falle einer Energielenkung würde der Staat auf die Reserven zugreifen und die finanzielle Entschädigung dafür war im Gesetz nicht geregelt. Eine Novelle des Energielenkungsgesetzes soll nun für mehr Sicherheit sorgen und damit auch zu besser gefüllten Gasspeichern beitragen. Zudem ist dies ein Anreiz dafür, künftig mehr eigene Gasreserven anzulegen.

Konkret bedeutet das: Auch im Falle einer Energielenkung steht den Betrieben ihr eingespeichertes Gas zur Verfügung. Wer selbst Gas hat, ist von Maßnahmen wie etwa einer verpflichtenden Verbrauchsreduktion in einem ersten Schritt nicht betroffen und kann auf die eigenen Reserven zugreifen, um die Produktion fortzusetzen. Erst wenn es die Systemstabilität erfordert, greift der Staat auch auf diese Reserven zu. Sollte es zu einem Zugriff auf die Reserven der Unternehmen kommen, steht diesen dafür eine Entschädigung zu. Sie bekommen das verwendete Gas vom Staat finanziell abgegolten. Diese beiden Maßnahmen sind vorerst auf drei Jahre befristet und gelten für eine eingespeicherte Menge von bis zur Hälfte des eigenen Jahresverbrauchs. So stellen wir sicher, dass nicht überbordende Gasmengen in den Speichern gehortet werden, und zu wenig Speicherkapazität für andere Kundinnen und Kunden zur Verfügung steht. Darüber hinaus haben in Zukunft im Falle einer Energielenkung bei Gas die betroffenen Unternehmen Anspruch auf eine Entschädigung durch den Staat. Ähnliche Regelungen gibt es schon bisher bei Kohle und Öl. Jetzt werden sich auch auf Erdgas ausgeweitet. Die Novelle des Energielenkungsgesetzes wurde bereits durch den Finanzausschuss – auch mit den Stimmen von SPÖ und NEOS - angenommen und wird am Donnerstag im Nationalrat behandelt. Für den Beschluss ist eine zweidrittel-Mehrheit erforderlich.

5. Optionen für Ausgleichsenergie (Market Maker)
Um sicherzustellen, dass die Bilanz zwischen Gasaufbringung und Gasabgabe im Erdgasnetz immer ausgeglichen ist, gibt es die so genannte Ausgleichsenergie. Es
werden jene Gasmengen gekauft oder verkauft, die der Markt- und Verteilergebietsmanager (MVGM) physikalisch in das Erdgasnetz einspeisen oder aus dem Erdgasnetz abgeben muss, um die Netzstabilität zu gewährleisten. Dieses Modell soll ausgebaut werden, damit im Fall einer Unterbrechung der Erdgaslieferungen aus Russland zusätzliche Ausgleichsenergiemengen vorgehalten werden. Die Gas-Marktmodell-Verordnung der E-Control und die Allgemeinen Bedingungen des Bilanzgruppenkoordinators setzen die Rahmenbedingungen. Details zum Einsatz der beschafften Gasmengen, zum Energiepreis (Arbeitspreis) und zur verursachungsgerechten Kostentragung sowie weitere Verwendungsmöglichkeiten sollen mit Verordnung festgelegt werden können. Es ist zu erwarten, dass auch dieses marktnahe Instrument zur weiteren Befüllung der Erdgasspeicher beitragen wird.

Die erforderliche Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes soll bereits diese Woche im Nationalrat beschlossen werden.

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