Ein Abend mit Hélène Darroze - ein Ort namens Gaumen

Es gibt Abende, die nicht einfach nur „gelingen“. Es gibt Abende, die geschehen und Geschichte schreiben – kulinarische Geschichte. Weil alles stimmt. Der Ort, die Menschen, das Licht – und das, was auf dem Teller liegt. Der 27. Juni 2025 war so ein Abend. Nicht irgendein Freitag am Attersee, sondern der Abend, an dem Hélène Darroze, französische Dreisterneköchin mit leiser Grandezza, bei KATE & KON gekocht hat. Und das mit einer Selbstverständlichkeit, als sei sie nie woanders gewesen.
Darroze ist keine Küchen-Entertainerin. Keine Instagram-Ikone, keine Frau fürs grelle Rampenlicht. Und genau deshalb nimmt sie die Rampe ein – mit Ruhe, mit Tiefe, mit Geschmack. Wer das Glück hatte, an diesem Abend dabei zu sein, der hat verstanden: Diese Frau hat den Bogen raus, sie lässt ihre Gerichte sprechen.
Geboren in Villeneuve-de-Marsan, im Südwesten Frankreichs, wuchs Hélène Darroze in der Gascogne auf – einer Region, in der die Küche kein Zeitvertreib ist, sondern Lebensinhalt. Dort, wo der Duft von Foie Gras, Armagnac und geräuchertem Paprika die Luft erfüllt, lernte sie früh, dass Kochen mehr ist als Technik. Es ist Erinnerung, Herkunft, Haltung. Ihre Gerichte tragen auch diese Landschaft in sich – nicht folkloristisch, sondern auf den Punkt der Region, und der Regionen, gebracht.
Der Auftakt: eine zarte Algen-Tarte mit Auster und Kaviar, daneben ein Pilzparfait mit Douglasie, ein Donut aus geräucherter Ente, gewürzt mit Vadouvan – alles in einem Reigen serviert, der mehr leise Spannung war als Spektakel. Dazu: 2015 Bollinger La Grande Année, in einem Glas, das mehr Inhalt hatte als das Wort „Aperitif“ je haben kann.
Was dann folgte, war nicht weniger als eine Reise. Keine inszenierte Weltumrundung, sondern eine präzise, mit sicherer Hand komponierte Dramaturgie der Geschmäcker.
Da war der Txanguro, das baskische Krabbenfleischgericht mit Pfeffer, Pomelo und Rosenemulsion. Der Riesling Cuvée Frédéric Émile 2015 von Trimbach: kühl, klar, fast medizinisch, präzise.
Es folgte das vielleicht rustikalste Gericht des Abends: Cœur de bœuf, Tomatenherz mit lokalem Schafskäse, Bottarga und Kapern – eine Hymne auf die Einfachheit. Dazu der rare 2016 Les Champs Libres von Château Lafleur – ein Weißwein, der so ernst und seriös war, dass man aufrecht sitzen musste.
Doch Hélène Darroze weiß, wie sie balanciert. Der folgende Gang: Foie gras, geröstet, mit Sesam, Honigmelone und einer Sake-Koji-Sauce – kein Mainstream-Gestus, sondern ein Flirt mit der Fermentation, ein Spiel mit Hitze und Tiefe. 2021 Château Rieussec begleitete perfekt mit seiner noblen Süße.
Dann kam der Moment, in dem alles schien, als müsse dieser Teil des Attersees ein Teil des kulinarischen Himmels sein: Blauer Hummer à la nacre, in Tandoori, mit Koriander und Citrus-Mousseline. Und dazu: der 2022 Puligny-Montrachet 1er Cru Clavoillon von Domaine Leflaive – burgundische Präzision auf dem Punkt.
Was danach kam, war fast schon eine klassische Steigerung: Wildfang Turbot mit Artischocke und Bagna Cauda, dann Wellington-style Pigeon mit Pfifferlingen, Turnips, Thymian und Rauch. Der Wein dazu? Eine 2007er Château Le Gay Doppelmagnum. Ein Monument. Und ja – dann kam Petrus.
2011 Petrus. Kein Geschrei. Kein Gong. Nur: ein Glas, das in der Hand wog wie ein Versprechen. Dunkel, ruhig, ernst. Ein Dank an die Partnerschaft, ein Nicken in Richtung Pomerol.
Die affinierten Ossau fermier Käse von Maître Antony, direkt aus der Herkunftsregion von Darroze: Käsekultur – wie seit Jahren schon – in Exzellenz, brillant begleitet vom 2015 Châteauneuf-du-Pape Cuvée da Capo. Und zum Schluss: Guanaja-Schokolade mit Koriandersamen, Chicorée-Mousse, Vanilleeis – abgeschlossen mit einem dramatischen Clase Azul Tequila Gold. Keine Pointe, sondern was für ein Finale!
Und was bleibt? Der Geschmack. Die Erwartung zwischen den Gängen. Das Leuchten in den Gesichtern. Und das Gefühl, dass man an diesem Abend nicht einfach gegessen hat – sondern Zeuge eines Ereignisses wurde. Darroze hat nicht gekocht, sie hat erzählt. Vom Baskenland, von Paris, von London. Von Disziplin, Intuition und Liebe. Was bleibt, und vor allem dafür war der Abend da, ist die Erinnerung an ein kulinarisches Highlight im Leben. „Der Besuch von Hélène Darozze bei uns am Forstamt am Attersee war für uns Beweis, dass große Küchenkultur nur Welten kennt. Und keine Länder. Und eben deswegen war dieser große Küchenauftritt einer auch schwer regional kochenden Dreisterneköchin eine glanzvolle Bereicherung für die ohnehin sehr gute Kulinarik am See.“ so Katharina Wolf über den einzigartigen Abend.