AK-Präsident Stangl: „Die Situation ist dramatisch! Es droht ein Systemversagen in der Kinderbildung und -betreuung“

Die jüngsten Medienberichte machen es einmal mehr deutlich: Die Situation in der Kinderbildung und -betreuung ist dramatisch! „Viele Beschäftigte sehen sich nicht mehr in der Lage, die Qualität der Betreuung aufrechterhalten zu können. Sie fürchten auch um ihre eigene Gesundheit“, sagt AK-Präsident Andreas Stangl. Und was macht die Landespolitik? Sie redet die Anliegen der Beschäftigten als individuelle Befindlichkeiten klein, das strukturelle Problem wird negiert.


„Was droht, ist ein Systemversagen auf Kosten unserer Kinder. Die Einrichtungen sind keine Aufbewahrungsstätten, bei denen die Politik wegschauen kann. Es handelt sich um professionelle Einrichtungen, in denen der Grundstein der Bildung unserer Kinder gelegt werden soll“, kritisiert Präsident Stangl.


Rund 10.500 Beschäftigte arbeiten laut Kindertagesheimstatistik in Oberösterreich in einem Kindergarten, einem Hort oder einer Krabbelstube. Eine Studie der Arbeiterkammer OÖ, an der 1.430 der 5.290 AK-Mitglieder (27 Prozent) aus dem Bereich der Kinderbildung und -betreuung teilgenommen haben, verdeutlicht die Dringlichkeit der Forderungen dieser Beschäftigtengruppe. Das Verhältnis zwischen Personal und Anzahl der Kinder in einer Gruppe nehmen viele der Befragten als Hauptursache der Probleme wahr.


Die Gruppengrößen werden von 735 Kindergarten-Mitarbeiter/-innen (83,7 Prozent, es gab insgesamt 878 gültige Antworten) als zu hoch eingeschätzt. 128 Personen (65,3 Prozent, 196 gültige Antworten), die in einer Krabbelstube arbeiten, sind ebenfalls der Meinung, dass es zu viele Kinder in einer Gruppe gibt. Und auch für 52 Hort-Beschäftigte (62,7 Prozent, 83 gültige Antworten) ist die Gruppengröße zu hoch.

Nicht einmal zwei von zehn Beschäftigten haben ausreichend Zeit, um Bildungsaufgaben umzusetzen oder um auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Kinder einzugehen. „Die Ausrede, die Rahmenbedingungen nicht verbessern zu können, weil zu wenig Personal vorhanden ist, ist für mich nicht zulässig. Man muss sich da schon fragen: Warum wollen Beschäftigte nicht in diesem Bereich bleiben? Das ist ein Teufelskreis“, so Stangl.

Stress und Überforderung, hervorgerufen durch das hohe Maß an Verantwortung unter den derzeit schlechten Rahmenbedingungen, führen zu psychischen Belastungen. Beinahe die Hälfte der Beschäftigten gibt an, dass es schwierig ist, die Aufsichtspflicht einzuhalten. Ausfälle von Kollegen/-innen können wegen fehlender Personalressourcen in nicht einmal drei von zehn Fällen kompensiert werden. Knapp sechs von zehn Beschäftigten geben an, krank zur Arbeit zu kommen, um Kollegen/-innen nicht im Stich zu lassen. Neben den psychischen Belastungen sind auch die physischen enorm. Lediglich vier von zehn Beschäftigen steht ausreichend erwachsenengerechtes Mobiliar zur Verfügung.


Neun von zehn Beschäftigten sehen ihren Beruf grundsätzlich als sinnstiftend an. Allerdings fühlt sich mehr als ein Drittel emotional erschöpft und etwa genauso viele können es sich nicht vorstellen, den Beruf überhaupt bis zur Pension auszuüben. Was dazukommt: Sieben von zehn Beschäftigten sind mit ihrer Entlohnung und jeweils mehr als die Hälfte mit der gesellschaftlichen Wertschätzung sowie den Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten unzufrieden.


Die Landespolitik muss endlich handeln!

Die AK OÖ hat schon mehrmals auf diese Missstände hingewiesen, die Politik hat bisher nicht reagiert. Bereits im Sommer 2021 wurden die politischen Entscheidungsträger/-innen zum Dialog eingeladen und ihnen die Studienergebnisse vorgelegt. Landeshauptmann-Stv. Christine Haberlander, die diesem Termin fernblieb, ignoriert nach wie vor ihre Verantwortung und wälzt diese auf die Träger der Einrichtungen ab. „Ich appelliere daher nochmal eindringlich an die zuständigen Entscheidungsträger/-innen! Es braucht endlich eine Verbesserung der Rahmenbedingungen und langfristige Investitionen wie etwa eine Ausbildungsoffensive, um das Angebot und die Qualität im Bereich der institutionellen Kinderbetreuung auch zukünftig zu sichern. Nehmen wir Geld für unsere Kinder in die Hand“, sagt Präsident Stangl.

Die Forderungen der AK OÖ:

Die gesetzlich festgelegte Höchstzahl der Gruppengrößen muss dringend reduziert, der Personal-Kind-Schlüssel angepasst werden.
Eine Investitions- und Ausbildungsoffensive ist notwendig, um fehlende Personalressourcen langfristig abzudecken. Mindestens 5000 zusätzliche, sinnstiftende Arbeitsplätze sind zu schaffen. Diese sind nötig, um zu garantieren, dass das Barcelona-Ziel und die VIF-Kriterien erfüllt werden können.
Die gruppenarbeitsfreie Dienstzeit für administrative Aufgaben, Elternarbeit und Fortbildungen sowie die Zeit für Leitungsaufgaben muss erhöht werden.
In den Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtungen müssen ausreichend gut ausgestattete Arbeitsplätze für die Beschäftigten zur Verfügung stehen, die den ergonomischen Ansprüchen Erwachsener gerecht werden.
Die Beschäftigten müssen für ihre wichtige und verantwortungsvolle Arbeit endlich gerecht entlohnt werden.
Es braucht ein funktionierendes Corona-Sicherheitskonzept für die Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen sowie durchdachte Maßnahmen wie flächendeckende Lollipop-Tests und eine Ausstattung der Kindergärten und Krabbelstuben mit Luftfiltern.

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