158.000 Erwerbstätige in Oberösterreich brauchen psychosoziale Unterstützung

AK-Präsident Andreas Stangl und Mag.a Martina Zandonella, Senior Researcher SORA Institute of Social Research and Consulting - _by_Wolfgang_Spitzbart_AKO
AK-Präsident Andreas Stangl und Mag.a Martina Zandonella, Senior Researcher SORA Institute of Social Research and Consulting - _by_Wolfgang_Spitzbart_AKO

In der SORA-Studie (repräsentative Befragung unter 1.212 Oberösterreichern/-innen ab 16 Jahren) vom März 2022 im Auftrag der AK Oberösterreich berichteten 43 Prozent der Arbeitnehmer/-innen von einer Verschlechterung ihrer psychischen Gesundheit. Die Pandemie hat bereits bestehende Ungleichheiten verstärkt, denn das untere ökonomische Drittel ist von den psychosozialen und finanziellen Folgen insgesamt am stärksten betroffen. Die nach wie vor steigende Inflation gießt hier zusätzliches Öl ins Feuer. Ein Sozialstaat, der sowohl kurzfristig bei Notlagen unterstützt als auch mittel- und langfristig der zunehmenden ökonomischen Ungleichheit entgegenwirkt, ist laut AK-Präsident Andreas Stangl umso wichtiger.


Von den Oberösterreichern/-innen im unteren ökonomischen Drittel gaben 52 Prozent an, dass sie sich in ihrer psychischen Gesundheit beeinträchtigt fühlen. Im oberen ökonomischen Drittel gaben dies nur 22 Prozent an. Auffällig ist auch, dass die Betroffenheit bei Arbeitern/-innen höher ist (52 Prozent) als bei Angestellten und öffentlich Bediensteten (41 Prozent). In den Wochen vor der Befragung litten 78 Prozent der Oberösterreicher/-innen im unteren ökonomischen Drittel an zumindest einzelnen Tagen an Schlafstörungen, jeweils rund 75 Prozent an depressiven Symptomen (Interessen-/Freudlosigkeit) und Erschöpfung. Angesichts der dramatischen gesundheitlichen Auswirkungen ist es wenig überraschend, dass Oberösterreicher/-innen im unteren ökonomischen Drittel ein klares Politikversagen verorten. Rund drei Viertel (74 Prozent) sahen ihre Bedürfnisse bei der politischen Ausgestaltung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie kaum oder gar nicht berücksichtigt.


Schwindende finanzielle Ressourcen belasten

Der Spalt zwischen dem unteren und oberen ökonomischen Drittel ist durch die Pandemie in Oberösterreich weiter gewachsen: Im Vergleich zu den 56 Prozent im unteren Drittel berichteten im März nur zehn Prozent der Oberösterreicher/-innen im oberen Drittel von einer Verschlechterung ihrer finanziellen Situation. Die Folgen der aktuell steigenden Preise durch den Ukraine-Krieg kommen nun noch zusätzlich hinzu.


Veränderte Arbeitsbedingungen bringen Druck

Weiteres Ergebnis der Studie ist, dass neun von zehn Arbeitnehmern/-innen (93 Prozent) von zunehmendem Leistungsdruck berichteten. Gerade in administrativen Berufen hat sich Homeoffice etabliert. Neben vielen Vorteilen hat Homeoffice aber auch einen Beitrag zum Verschwimmen von Arbeits- und Freizeit Vorschub geleistet. Das Thema Entgrenzung betrifft folglich 88 Prozent der Befragten und auch das Arbeiten früh morgens oder spät abends gehört immer öfter zum beruflichen Alltag: 77 Prozent berichteten davon. Ein Drittel fühlte sich durch diese Entwicklungen belastet.


Leist- und erreichbare psychosoziale Unterstützung ist rar

Rund ein Fünftel der Menschen in Oberösterreich hatte Unterstützungsbedarf in finanziellen Belangen (20 Prozent) sowie in Hinblick auf die psychische Gesundheit (18 Prozent). Unter den Arbeitnehmern/-innen haben laut der Studie 158.000 Menschen in Oberösterreich Unterstützungsbedarf in Hinblick auf die psychische Gesundheit. Doch nur rund ein Drittel der Hilfesuchenden konnte auch tatsächlich Unterstützung in Anspruch nehmen. Der Hauptgrund, warum keine Hilfe in Anspruch genommen wurde, sind fehlende Informationen: 44 Prozent der Befragten mit Unterstützungsbedarf wussten nicht, wo sie sich hinwenden können oder kamen zu dem Schluss, dass es für sie schlichtweg keine Hilfe gibt. Für rund 72.500 Oberösterreicher/-innen (rund ein Fünftel jener mit Unterstützungsbedarf) waren die vorhandenen Angebote schlicht nicht leistbar. Die Versorgungslage ist dabei am Land noch einmal deutlich schlechter als in städtischen Regionen. Besonders schlecht an psychosoziale Beratungsstellen, kassenfinanzierte Therapieplätze und Kriseneinrichtungen angebunden sind die Menschen im Inn- und Hausruckviertel.


Die AK fordert: Prävention und Versorgung müssen ausgebaut werden

AK-Präsident Andreas Stangl fordert vom Bund und vom Land Oberösterreich jetzt rasche Hilfe: „Es muss Investitionen in unseren Sozialstaat für gesündere Lebensbedingungen geben. Wichtig wäre der flächendeckende Ausbau kostenloser psychosozialer Angebote. Außerdem müssen Sozialleistungen existenzsichernd gestaltet werden, um finanzielle Sorgen wirksam zu nehmen bevor sie krank machen“, sagt er. Neben dem flächendeckenden Ausbau der Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen und der Abschaffung der Nachmittagsgebühr im Kindergarten, fordert die AK auch eine Anhebung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von 55 auf 70 Prozent sowie eine Erhöhung bei der Sozialhilfe.

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