Wildschweinstrategie für Oberösterreich

Schwarzwildbestand wächst rasant – Strategien zur Schadensminderung

Die enorme Zunahme des Schwarzwildes ist ein europaweites Phänomen, das auch vor Oberösterreich nicht Halt macht. Es ist bereits in fast allen Bezirken Oberösterreichs anzutreffen. Die rasant ansteigenden Wildschweinbestände führen zunehmend zu massiven Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen, insbesondere an Mais- und Wiesenflächen und stellen sowohl die Landwirtinnen und Landwirte als auch die örtlichen Jäger vor massive Probleme. In den letzten 30 Jahren sind die Schwarzwildabschüsse in Oberösterreich um das 25-fache (!) gestiegen.

„Diese gewaltige Zunahme der Wildschweine wird durch Klimaerwärmung, verbesserte Nahrungsverfügbarkeit bzw. punktuell auch durch falsche Bejagung angeheizt“, erläutern Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger und ÖR Franz Reisecker, Präsident der Landwirtschaftskammer OÖ anlässlich einer gemeinsamen Pressekonferenz, bei der Maßnahmen zur Verringerung von Schwarzwild-Schäden präsentiert werden. Landesjägermeister ÖR Sepp Brandmayr ergänzt: Die Bejagung ist aber nicht einfach, denn die hauptsächlich nachtaktiven Wildschweine wissen genau, wo sie sicher sind bzw. müssen großflächig bejagt werden.

Der Satz D´Sau san do! hat manche Jäger in Oberösterreich noch vor Jahrzehnten in Freude versetzt, nunmehr ist vielfach bei diesem Satz die Verzweiflung sowohl bei den Grundbesitzer/innen als auch bei den Jägerinnen und Jägern spürbar.
Die Hauptproblemgebiete in Oberösterreich liegen vor allem im Innviertel. Aber auch im Mühlviertel sind gebietsweise Probleme mit den Schwarzkitteln zu verzeichnen. In den Bezirken des Alpenvorlandes bzw. in den Gebirgsbezirken Kirchdorf an der Krems, Gmunden und Steyr-Land sind derzeit die Schäden nur punktuell und daher relativ gering. Die höchsten Schwarzwildabschüsse wurden im Jahr 2012 in den Bezirken Braunau mit 578 Stück und Freistadt mit 328 Stück getätigt.


Projekt: Verringerung von Schwarzwild-Schäden

Über Anregung der Landwirtschaftskammer OÖ. wurde von Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger ein Projekt in Auftrag gegeben, um ein Maßnahmenpaket zur Verringerung der Schäden durch Schwarzwild auszuarbeiten. Das Projektteam bestand aus Vertretern des Oö. Landesjagdverbandes, der Landwirtschaftskammer Oberösterreich und der Abteilung Land- und Forstwirtschaft des Amtes der Oö. Landesregierung.

Dieses bereiste zum Zwecke des Erfahrungsaustausches mit den örtlichen Jagdausübungsberechtigten und Vertretern der Jagdausschüsse verschiedene Jagdgebiete, in denen in letzter Zeit eine starke Zunahme von Schäden durch Schwarzwild zu verzeichnen war. Neben der Erfassung der jeweils sehr unterschiedlich schadensbestimmenden Faktoren war die Darstellung zielführender Jagdmethoden und -strategien ein wesentlicher Projektbestandteil. Ein auf Grundlage des Erfahrungsaustausches und neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse basierender und gemeinsam vom Land OÖ, von der Landwirtschaftskammer OÖ und dem OÖ Landesjagdverband erstellter Leitfaden soll Grundlage für eine effektive Bejagung und damit Verminderung von Schwarzwildschäden in Oberösterreich sein. „Allen Jagdausübungsberechtigten sowie den land- u. forstwirtschaftlichen Grundbesitzerinnen und Grundbesitzern Oberösterreichs werden dieser Leitfaden und noch weitere Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, um sie bei ihren Bemühungen zu unterstützen“, berichten Hiegelsberger, Brandmayr und Reisecker. Es wird aber nur gemeinsam zu lösen sein, ist man sich einig.

Zur Verminderung der Schwarzwildproblematik kommt besonders den jagdlichen Strategien eine entscheidende Bedeutung zu. Durch die enorm hohe Zuwachsrate beim Schwarzwild ist ein starker Eingriff bei den jungen Stücken sowie bei den weiblichen Tieren über alle Altersklassen notwendig, wobei auf Grund der extrem hohen Lernfähigkeit dem Abschuss der Zuwachs- und Erfahrungsträgerinnen (Bachen) eine besondere Wichtigkeit zukommt. Eine intensive Zusammenarbeit zwischen Jägerschaft und Grundbesitzer/innen sollte insbesondere beim Meldesystem von Sichtungen oder neuen Schäden erfolgen, damit die Jäger sofort reagieren können.
Wildschweine sind eine extrem intelligente und sehr lernfähige Wildart, die nur durch Ausschöpfung aller zulässigen und erfolgversprechenden Jagdmethoden auch revierübergreifend wirksam bejagt werden kann. Wie leider mehrere Beispiele in letzter Zeit gezeigt haben, muss dabei der Sicherheit höchste Priorität eingeräumt werden. LJM Brandmayr dazu: Es ist eben nicht so leicht getan, wie manch einer glaubt! Die Jäger bemühen sich, aber einfach ins Revier zu gehen und erfolgreich heimzukommen, ist Wunschdenken.

„Aus Sicht der Grundbesitzer müssen die Empfehlungen des Leitfadens gemeinsam mit der Jägerschaft rasch umgesetzt werden, um eine weiteres Ansteigen der Schwarzwildbestände und damit auch der Schäden zu verhindern“, betonen LK OÖ Präsident Franz Reisecker und Landesrat Max Hiegelsberger.

Nur durch eine intensive Zusammenarbeit zwischen Grundeigentümer/innen und Jägerschaft bei Auftreten von Schwarzwild und durch eine intensive und revierübergreifende Schwarzwildbejagung – natürlich unter Einhaltung des Mutterschutzes (Schonung der säugenden Bache) – kann ein weiteres Anwachsen der Wildschweinbestände verhindert werden.


Gemeinsame Unterzeichnung des Leitfadens

Um die gemeinsamen Anstrengungen zur Verminderung der Schwarzwildproblematik zu betonen, wird anlässlich dieser Pressekonferenz der Leitfaden „Strategien zur Minimierung von Schwarzwildschäden“ von Landesrat Max Hiegelsberger, Präsident der OÖ Landwirtschaftskammer ÖR Ing. Franz Reisecker, und OÖ Landesjägermeister ÖR Sepp Brandmayr unterzeichnet.


Schwarzwild – Zahlen und Fakten

Im Jahr 1980 wurden in unserem Bundesland 89 Stück Schwarzwild erlegt. Rund 30 Jahre später, im Jahr 2012, betrug der Schwarzwildabschuss bereits über 2.250 Stück. Dies entspricht einem Anstieg von über 2.500 Prozent. Sogar im stadtnahen Kürnbergerwald bei Linz wurden im Jahr 2012 29 Stück Wildschweine erlegt.
In diesem Vergleichszeitraum sind in Österreich die Schwarzwildabschüsse von 2.054 Stück im Jahr 1980 auf über 26.000 Stück im Jahr 2011 angestiegen. Allein in Niederösterreich sind in diesem Jahr über 16.000 Stück erlegt worden. Dies entspricht einem Anteil von mehr als 60 Prozent des gesamtösterreichischen Wildschweinabschusses.

Wildschweine sind äußerst anpassungsfähig und kommen mit den verschiedenen Lebensräumen sehr gut zu recht. Sie sind Allesfresser, Larven, Engerlinge oder Regenwürmer dienen genauso als Nahrung wie Eier, Mäuse, Jungwild oder Aas. Eine wichtige Nahrungsquelle stellen Bucheckern und Eicheln dar, welche in Mastjahren dieser Baumarten zur Hauptnahrung zählen. Daneben werden aber auch Kartoffeln, Rüben, Mais oder Getreide gefressen.

Wildschweine leben in Mutterfamilien in sogenannten Rotten, wobei eine Rotte aus einem oder mehreren Weibchen mit ihrem letzten Nachwuchs besteht. Die Fortpflanzungszeit (Rauschzeit) fällt in der Regel in die Monate November bis Jänner. Die Tragzeit dauert rund 115 Tage (3 Monate, 3 Wochen, 3 Tage), womit die Wurfzeit zwischen Ende Februar und Anfang Mai liegt. Bei gutem Nahrungsangebot können bis zu 50 Prozent der Frischlingsbachen fortpflanzungsfähig werden. Außerdem kann es zu einem zweiten Wurf im Juli oder August kommen. Die durchschnittliche Aufzuchtrate beträgt fünf bis sechs Frischlinge, der Zuwachs kann regional und jährlich sehr unterschiedlich sein und zwischen 60 und 300 Prozent des Frühjahrsbestandes schwanken


Verbessertes Nahrungsangebot

Die enorme Zunahme des Schwarzwildes ist in den letzten Jahrzehnten auf die verbesserte Nahrungsverfügbarkeit durch häufige Mastjahre, wenn Eichen und Buchen sehr viele Früchte tragen, aber auch auf die häufige Verfügbarkeit von Maisflächen zurückzuführen. Zusätzlich spielt auch die Klimaerwärmung eine Rolle, da die Sterblichkeit der Jungtiere, vor allem in den ersten drei Lebenswochen durch Kälteeinbrüche und Nässeperioden sehr stark beeinflusst wird. Aber auch eine unzulässige Hege, unsachgemäße Kirrung (Lockfütterung), die ähnlich einer Fütterung betrieben wird, bzw. falsche Bejagung – insbesondere bei Erstauftreten von Schwarzwild wird dies von manchen Jägern als Revieraufwertung gesehen - kann die Zunahme dieser Wildart stark fördern.

Das Schwarzwild richtet im Wald kaum Schäden an, sondern kann durch das Umwühlen des Bodens und den Fraß von Forstschädlingen für den Wald förderlich sein. Massive Schäden treten vor allem im landwirtschaftlichen Bereich durch Umbrechen der Wiesenflächen auf der Suche nach Engerlingen bzw. in Mais- und Getreidefeldern auf. Besonders attraktiv sind die Pflanzen in der sogenannten Teigreife, wenn die Körner noch teigig weich sind, wobei es bei Maisflächen jedoch auch schon zu massiven Schäden kurz nach der Saat gekommen ist. Stellenweise wird dadurch die Ernte völlig vernichtet. Nach den jagdgesetzlichen Bestimmungen haftet für diese Wildschweinschäden die örtliche Jägerschaft, auch wenn das Schwarzwild dort nur selten vorkommt und von anderen Revieren einwechselt. Aus diesem Grund gibt es schon Jagdgebiete, die nur mehr sehr schwer verpachtet werden können.

Weitere Meldungen