AK schlägt Alarm: Optimale Pflege ist derzeit nicht gewährleistet

Eine aktuelle Studie der AK Oberösterreich belegt, dass der seit 1998 geltende Mindestpflegepersonalschlüssel in den oberösterreichischen Alten- und Pflegeheimen viel zu niedrig angesetzt ist. Viele Beschäftigte beschreiben, dass wegen des Personalmangels oft nur noch die körperlichen Bedürfnisse der Bewohner/-innen erfüllt werden könnten. Und selbst das sei oft nur noch mit unzähligen Überstunden und unter enormer Arbeitsdichte möglich. Zeit für die psychosoziale Betreuung der Bewohner/-innen bleibe kaum. AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer fordert vom Land Oberösterreich deutlich mehr Pflegepersonal und damit ein klares Bekenntnis zur optimalen Pflege.


Der aktuell viel zu niedrig angesetzte Mindestpflegepersonalschlüssel aus dem Jahr 1998 führt dazu, dass die Senioren/-innen in Oberösterreichs Alten- und Pflegeheimen zu vereinsamen drohen. Während viele Bewohner/-innen vor 20 Jahren noch aktiver am Leben teilnehmen und somit soziale Kontakte pflegen konnten, sind viele Heimbewohner/-innen heute deutlich kränker und benötigen somit intensivere Betreuung. Die beruflichen Anforderungen an die Pflegekräfte haben sich in den vergangenen Jahren alleine dadurch, aber auch durch eine erhöhte Dokumentationspflicht massiv erhöht. Der Mindestpflegepersonalschlüssel entspricht somit nicht mehr den heutigen Anforderungen und Aufgaben in der stationären Altenarbeit.

Sowohl für die Senioren/-innen als auch für die Beschäftigten in der Pflege bringt das dramatische Nachteile mit sich. Eine professionelle, optimale Pflege, die über die Erfüllung körperlicher Bedürfnisse hinausgeht, ist derzeit kaum noch möglich. Ein Spaziergang, ein Gespräch, ein Kartenspiel oder einfach nur für ein paar Minuten die Hand halten – dafür würden sich viele Beschäftigte gerne Zeit nehmen, können es aber oft nicht mehr. Vereinsamung und Isolation von Senioren/-innen ohne Angehörige drohen.

Die in der Studie Befragten berichten, dass Arbeiten unter Zeitdruck sowie unzählige Überstunden gang und gäbe in ihren Heimen sind. Hinzu kommt bei vielen Beschäftigten die Frustration darüber, die Bewohner/-innen nicht in jener Qualität und Intensität betreuen zu können, die in der Pflege als optimal bewertet und auch in der Ausbildung vermittelt wird. Bei der gestrigen Tagung „Mindestpflegepersonalschlüssel reicht nicht – Auswirkungen auf Sinnstiftung und Arbeitsbedingungen“ von AK OÖ und JKU Linz in der AK Linz mit rund 150 Teilnehmern/-innen führte das Institut für Berufs- und Erwachsenenbildungsforschung eine kurze Online-Umfrage durch. Erschreckendes Ergebnis: Von 56 Pflegekräften beantworteten 72 Prozent die Frage, ob nach ihrer Ansicht unter den derzeitigen Rahmenbedingungen optimale Pflege und Betreuung möglich ist, mit „eher nein“ oder „gar nicht“.

Aktuell arbeiten in den rund 130 oberösterreichischen Alten- und Pflegeheimen rund 10.000 Beschäftigte, davon etwas mehr als 6.000 in der Pflege und Betreuung von rund 12.000 Senioren/-innen. Derzeit wird der vom Land festgelegte Mindestpflegepersonalschlüssel im Durchschnitt zu 104 Prozent erfüllt. Hauptproblem: In einigen Heimen liegt der Erfüllungsgrad darunter, und alle Ausfälle – etwa durch Krankenstände, Weiterbildungen, oder längere Urlaubsansprüche – müssen damit abgedeckt werden. „Fehlzeiten in den Heimen müssen endlich berücksichtigt werden, der derzeitige Mindestpflegepersonalschlüssel muss um mindestens 20 Prozent übererfüllt werden“, appelliert AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer an das Land, für eine notwendige Korrektur beim Personalschlüssel zu sorgen.

Weiteren dringenden Handlungsbedarf sieht die AK bei den Nachtdiensten. Derzeit ist es noch übliche Praxis, dass eine Pflegekraft alleine den Nachtdienst übernimmt. Diese muss nicht einmal ein Diplom besitzen – ein äußerst kritischer Umstand, wenn ein Notfall eintritt. Aus Sicht der AK sollte deswegen in jedem Heim mindestens eine zweite Pflegekraft im Nachtdienst anwesend sein, ab 100 Bewohnern/-innen eine dritte – mindestens eine davon mit Diplomkompetenzen. Diese zusätzlichen Arbeitskräfte dürfen nicht zulasten der Tagesbesetzung gehen.

„Die Bewohnerinnen und Bewohner der oberösterreichischen Alten- und Pflegeheime haben mehr verdient, als nur warm, satt und sauber zu sein. Die hohe Betreuungsqualität muss gesichert, die Gesundheit der Beschäftigten in der Pflege geschützt werden. Ich fordere hiermit das Land Oberösterreich einmal mehr auf, sich endlich zu einer optimalen Versorgung der Seniorinnen und Senioren zu bekennen und dafür mehr Personal zur Verfügung zu stellen“, sagt Kalliauer.

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