Langzeitarbeitslose wieder in Beschäftigung bringen: Eine Win-Win-Situation für Jobsuchende UND Unternehmen

Mag.a Doris Hummer, Präsidentin der Wirtschaftskammer OÖ und Andreas Stangl, AK OÖ-Präsident -- Copyright: AK OÖ Wolfgang Spitzbart
Mag.a Doris Hummer, Präsidentin der Wirtschaftskammer OÖ und Andreas Stangl, AK OÖ-Präsident -- Copyright: AK OÖ Wolfgang Spitzbart

In den vergangenen eineinhalb Jahren ist es dank erheblicher Fördermittel und der florierenden Konjunktur gelungen, die Zahl der Langzeitarbeitslosen zu reduzieren. Es gibt aber nach wie vor rund 3.600 Menschen, die seit mindestens einem Jahr durchgehend arbeitslos sind, und rund 6.700 Personen, die seit mehr als einem Jahr kein längeres Beschäftigungsverhältnis haben.


„Diese Zahl ist erschreckend hoch. Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer haben sich deshalb darauf verständigt, hier gegenzusteuern und mit konkreten Maßnahmen so viele Langzeitarbeitslose bzw. Langzeitbeschäftigungslose wie möglich wieder in Arbeit zu bringen. Das ist herausfordernd und bedarf innovativer Wege“, erläutert WKOÖ-Präsidentin Doris Hummer die vereinbarte Bündelung der Kräfte.


Für AKOÖ-Präsident Andreas Stangl ist es ebenfalls von großer Bedeutung, gemeinsam vorzugehen: „Angesichts der von Wirtschaftsforschern vorausgesagten Konjunktureintrübung und dem Auslaufen des Sonderprogramms für Betroffene ist damit zu rechnen, dass die Langzeitarbeitslosigkeit im Laufe des kommenden Jahres wieder steigt. Von einer Entspannung am Arbeitsmarkt in diesem Bereich kann daher nicht gesprochen werden. Es ist wichtig, dass AK und WK hier zusammenarbeiten. Durch geeignete Maßnahmen kann eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten entstehen.“


Mag.a Doris Hummer, Präsidentin der Wirtschaftskammer OÖ:

Der Fach- und Arbeitskräftemangel hat die oö. Wirtschaft nach wie vor fest im Griff

Der Fach- und Arbeitskräftemangel hat trotz aller anderen aktuellen Krisen nichts an Brisanz verloren. Nach wie vor suchen vier von fünf oö. Betrieben zusätzliche Mitarbeiter/-innen, um Aufträge abarbeiten und Kunden zufriedenstellend servicieren zu können. Dazu kommt eine ungesunde Arbeitsverdichtung, weshalb eine spürbare Linderung des Fach- und Arbeitskräftemangels im Interesse aller gelegen sein muss. Die WKOÖ hat als erste Einrichtung konkrete „Potenzialgruppen“ benannt, die noch über „freie Reserven“ verfügen. Freilich bedarf es verbesserter Rahmenbedingungen und entsprechender Maßnahmen, um die zusätzlichen Frauen, Älteren und Migranten/-innen für den oö. Arbeitsmarkt bzw. die Betriebe tatsächlich gewinnen zu können.


(Langzeit)arbeitslose als zentrale Potenzialgruppe – naheliegend, aber herausfordernd

Auch wenn die Arbeitslosigkeit in OÖ aufgrund der hohen Nachfrage der Betriebe seit Monaten im Vergleich zum Vorjahr permanent sinkt, gibt es in unserem Bundesland nach wie vor 25.822 Arbeitslose, denen Ende Oktober 2022 32.726 freie Stellen gegenüberstanden. Von jeder zusätzlichen Vermittlung aus diesem Pool arbeitsloser Menschen profitieren neben dem Staat vor allem Unternehmen, deren Mitarbeiter/-innen und Kunden/-innen und naturgemäß die Betroffenen selbst. Sie bekommen nach langer Arbeitslosigkeit und oft viel Frust eine neue Chance und Zukunftsperspektive.


Die Gruppe der Langzeitarbeitslosen bzw. Langzeitbeschäftigungslosen sind von sehr unterschiedlichen Biografien geprägt. Es liegen auch immer wieder persönliche Vermittlungshindernisse wie gesundheitliche Einschränkungen oder mangelhafte Qualifikationen vor. „Individualisiertes Fördern und Fordern“ ist das wohl tauglichste Rezept, Menschen aus dieser großen Gruppe dauerhaft am Arbeitsmarkt zu integrieren. Statt sich mit den vielen Langzeitarbeitslosen in OÖ „still und leise“ zu arrangieren, braucht es neue Instrumente, um deren Anzahl zu reduzieren und Betrieben frische Arbeitskräfte zuzuführen.


Das Wiedereingliederungsteilzeit-Modell der WKOÖ – bedarfsgerecht, innovativ und erfolgversprechend

Wer über ein Jahr arbeitslos ist, hat in aller Regel bestimmte persönliche Vermittlungshindernisse wie etwa gesundheitliche Probleme, die eine „normale“ Jobaufnahme erschweren oder sogar unmöglich machen. Ein klassischer „Fulltime-Job“ würde solche Menschen häufig überfordern und rasch resignieren lassen. Aber auch der Dienstgeber bzw. die Belegschaft würden aufgrund des eingeschränkten Leistungsumfangs des eingestellten Langzeitarbeitslosen bald unter Druck kommen.


Genau hier setzt das von der WKOÖ entwickelte Modell der Wiedereingliederungsteilzeit an, indem es individuell abgestimmte Arbeitszeitmodelle erlaubt, die dem persönlichen Leistungspotenzial entsprechen.


Diese stufenweise Wiedereingliederung sieht im Detail wie folgt aus:

Die arbeitslose Person muss mindestens drei Monate beim AMS gemeldet und grundsätzlich „teilzeitarbeitsfähig“ sein.
Der Arbeitslosen-Wiedereingliederungsteilzeit geht eine verpflichtende Arbeitserprobung von mindestens einer Woche voraus; gleichzeitig erfolgt eine standardisierte arbeitsmedizinische Evaluierung.
Das Arbeitszeitausmaß muss im Monatsschnitt mindestens zwölf Stunden betragen bzw. kann bis zu dreimal einvernehmlich geändert werden.
Der Dienstgeber zahlt das aliquote Entgelt für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit, das AMS leistet ein Wiedereingliederungs-Arbeitslosengeld. Beispiel: Beträgt die KV-Entlohnung 2.000 Euro brutto und wird 20 Stunden gearbeitet, erhält der wiedereingegliederte, vollversicherte Teilzeitbeschäftigte rund 1.450 Euro netto (1.000 Euro vom Dienstgeber und 450 Euro vom AMS) – klar mehr als der Arbeitslosengeldbezug.


Das Gesamtpotenzial vom Arbeitslosen mit gesundheitlichen Einschränkungen liegt in OÖ bei rund 9.000 Personen. Durch die Einführung der Wiedereingliederungsteilzeit bekommen Arbeitslose eine neue Chance und die Betriebe zusätzliche Arbeitskräfte.


Langzeitarbeitslose durch optimierte Vermittlung nachhaltig in Jobs bringen

Die Vermittlung langzeitarbeitsloser bzw. langzeitbeschäftigungsloser Menschen stellt für das AMS eine große Herausforderung dar. Der Optimierung des Matching kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu. Da die Ursachen für Langzeitarbeitslosigkeit sehr unterschiedlich sind, sollte einer individuellen Betreuung der Vorzug gegeben werden. Es geht darum, den Einzelnen in seiner aktuellen Lebensphase abzuholen, auf die konkreten Defizite und Chancen einzugehen und jene Arbeitsplätze herauszufiltern, die ein für beide Seiten zufriedenstellendes Gesamtergebnis erwarten lassen.


Optimal ist ein Face-to-Face-Kontakt, der aber auch telefonisch oder schriftlich erfolgen kann. Letztlich wissen die AMS-Betreuer am besten, wo die Potenziale/Schwachstellen der einzelnen Langzeitarbeitslosen liegen bzw. welche Kommunikationsform im Einzelfall die beste ist. Dort, wo möglich und sinnvoll, kann das persönliche Zusammentreffen von potenziellen Arbeitgebern, dem AMS-Betreuer und dem jeweiligen Langzeitarbeitslosen eine besondere Form der Verbindlichkeit schaffen.


In den vergangenen Jahren wurde beim AMS Oberösterreich das Instrument der Arbeitserprobung erfolgreich eingesetzt. Gerade nach längerer Abstinenz vom Arbeitsmarkt kann von beiden Seiten am besten vor Ort darüber entschieden werden, ob eine bestimmte Tätigkeit bewältigbar und längerfristig produktiv leistbar ist.


Bezirksvergleiche hinsichtlich einer erfolgreichen Bekämpfung der Langzeitbeschäftigungslosigkeit bzw. Langzeitarbeitslosigkeit können Sinn machen, sofern die unterschiedlichen Rahmenbedingungen am jeweiligen Arbeitsmarkt ausreichend berücksichtigt werden. Von Best-Practice-Modellen können am Ende alle profitieren.


Andreas Stangl, Präsident der Arbeiterkammer OÖ:

Erfolgversprechende und praxistaugliche Aktivitäten

Bei den Menschen, die längere Zeit arbeitslos sind bzw. brüchige Erwerbskarrieren mit kurzen, instabilen Beschäftigungsverhältnissen aufweisen, handelt es sich um eine sehr uneinheitliche Gruppe. Daher braucht es verschiedene Angebote, die für Teile davon jeweils genau an den Problemlagen ansetzen und die Hürden für eine dauerhafte Wiederbeschäftigung überwinden helfen. Ausgehend von den Problemen und Bedürfnissen der Arbeitsuchenden einerseits und der personalsuchenden Unternehmen andererseits haben Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer Vorschläge für erfolgversprechende und praxistaugliche Aktivitäten und Projekte erarbeitet.


Beschäftigungsprogramm für (Langzeit-)Arbeitslose

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich die AK Oberösterreich für ein wirksames Beschäftigungsprogramm für Langzeitarbeitslose bzw. für Personen, die davon bedroht sind, ausgesprochen. Eine kurzfristig realisierbare Option wäre eine Anpassung des bereits bestehenden kommunalen RESTART-Programms, bei dem das Land OÖ eine Co-Finanzierung zur AMS-Förderung leistet. Als Erfolg gewertet werden kann die Tatsache, dass das RESTART-Programm vorerst bis Ende 2022 verlängert worden ist. Richtig war auch die Entscheidung, gemeinnützige Einrichtungen in den Kreis förderbarer Institutionen aufzunehmen.


Weitere Vorschläge für eine Adaptierung bzw. Erweiterung des RESTART-Programms:

Verlängerung des Programms – zumindest bis Ende 2024
Absenkung der Mindest-Arbeitslosigkeitsdauer bei gemeinnützigen Einrichtungen von zwei Jahren auf ein Jahr und somit Angleichung an die anderen Förderwerber.
Umwandlung der Ausbildungsverhältnisse auf Dienstverhältnisse bei den Gemeinden.
Verlängerung der Förderdauer auf mindestens zwölf Monate – bei Betrieben, Kommunen und NGOs. Im Falle älterer Arbeitsloser soll ein Förderzeitraum von zwei Jahren zulässig sein, wenn damit ein nahtloser Übergang in die Pension ermöglicht wird.
Option für eine längere Förderdauer, wenn zum Beispiel Beschäftigungsprojekte, NGOs, Betriebe oder Gemeinden wichtige gesellschaftspolitische Aufgaben erfüllen (etwa Altenpflege, Energiesparen, ökosoziales Handeln zum Erreichen der Klimaziele…).
Gezielte Angebote für spezifische Aufgaben im Sozial- und Bildungsbereich wie etwa die Förderung von Unterstützungspersonal in Altenheimen, Schulen oder auch Kindergärten. Angesichts des Personalmangels gilt es, die „Stammbelegschaft“ durch zusätzliche Mitarbeiter/-innen zu entlasten. Interessierten sollen dabei in Vorbereitungskursen relevante Kompetenzen vermittelt werden. Mittelfristig besteht etwa die Chance, aus dem Kreis dieser Personen dauerhaft Pflegepersonal zu gewinnen.


AMS-Betreuung von (Langzeit-)Arbeitslosen

Ein wichtiger Faktor ist, dass das AMS-Personal mehr Zeit bekommt, um Langzeitarbeitslose individuell betreuen zu können. Es braucht eine intensive Auseinandersetzung mit deren vielfältigen Problemen. Zeit zum Zuhören ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die AMS-Berater/-innen passende Unterstützungsangebote machen können und als Partner der Arbeitsuchenden und auch der Betriebe erlebt werden. Dies können AMS-Förderungen wie Einstellbeihilfen, gemeinnützige Beschäftigungsprojekte, Qualifizierung und spezielle Beratungsangebote oder Hilfestellung beim Bewerbungsprozess sein. Das Selbstwertgefühl der Langzeitarbeitslosen muss gestärkt werden. Außerdem muss man sie motivieren, Neues auszuprobieren und auch das Matching zwischen Arbeitsuchenden und Betrieben muss verbessert werden.


Diesem Ziel dient auch die geplante Befragung von Langzeitarbeitslosen. Die Erfahrungen, Wünsche und Anregungen der unmittelbar Betroffenen sollen mittels einer Umfrage direkt erhoben werden, um die diversen arbeitsmarktpolitischen Instrumente und Betreuungsprozesse besser an die Bedürfnisse der Arbeitslosen anzupassen.

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