Novelle der BMS in Oberösterreich

Neuregelung in der Mindestsicherung:
„Mehr Möglichkeiten zur Ausbildung und Qualifizierung
und engmaschiges Case-Management“

Auf Initiative von Sozial-Landesrätin Birgit Gerstorfer wurde in die gestrige
Sitzung des Landtages ein Antrag zur Novellierung des Oberösterreichischen
Mindestsicherungsgesetzes eingebracht: „Mein Ansatz ist ein stärkerer Fokus
auf die (Wieder-)Eingliederung in das Erwerbsleben. Ich will Personen in
wirtschaftlich und arbeitsmarktpolitisch sinnvoller Weise qualifizieren. Das hilft
den Betroffenen und gleichzeitig senke ich dadurch mittelfristig die Folgekosten
der Arbeitslosigkeit – sowohl in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, als
auch in den vorgelagerten Systemen der Arbeitslosenversicherung und der
Notstandshilfe“, erläutert die Sozial- und Arbeitsmarktpolitikerin.

Gerstorfer grenzt die Intention ihrer Novelle von anderen politischen
Vorschlägen ab: „BMS-Bezieher/innen haben ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu
stellen, das ist schon heute Gesetzeslage. Insofern wird mit der Argumentation,
wonach eine Kürzung der Mindestsicherung mehr Arbeitsanreize schaffe eine
Wahlfreiheit vorgespielt, die nicht existiert. Nach vielen Jahren Berufserfahrung
im AMS kann ich nur betonen, dass Probleme nicht in der BMS selbst, sondern
am Arbeitsmarkt entstehen und nur dort gelöst werden können. Der Deckel wird
– wie schon die Kürzung der BMS für Asylberechtigte – keinen einzige/n
Bezieher/in aus der Mindestsicherung in ein neues Beschäftigungsverhältnis
helfen. Gleichzeitig werden die Einsparungseffekte überschaubar bleiben, wie
auch die Landeskoalition zugestanden hat. Die Vorschläge haben wenig
Substanz.“

Welcher Handlungsbedarf besteht tatsächlich?
Die Daten des AMS Oberösterreich belegen einen starken Zusammenhang
zwischen formaler Berufsausbildung und dem Risiko, arbeitslos zu werden. So
tragen beispielsweise Oberösterreicher/innen mit Pflichtschulabschluss ein vier
Mal so hohes Risiko als Personen mit Lehrabschluss. Insofern liegt der
Schlüssel zur Reduktion der Arbeitslosigkeit insbesondere unter den
Risikogruppen in der Qualifizierung. Gerade in der Bedarfsorientierten
Mindestsicherung war das Nachholen einer Qualifikation aber bisher durch
restriktive Regelungen erschwert.

Arbeitslosenquote nach Ausbildung (AMS Oberösterreich, 2016)
Die zwei Ansatzpunkte der Gesetzesnovelle
1. Sprungbrett statt Drehtür-Effekt
Die Bemühungspflicht regelt die Verpflichtung von Empfänger/innen der
Bedarfsorientierten Mindestsicherung, eine grundsätzlich zumutbare Stelle
anzunehmen und ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Diese grundsätzlich
sinnvolle Regelung führt im Hinblick auf die Qualifizierung und das Nachholen
von Bildungsabschlüssen bei manchen Bezieher/innen der BMS zu
kontraproduktiven Zielkonflikten: Einerseits müssen sie ihre Arbeitskraft zur
Verfügung stellen und können damit nicht an Qualifizierungsmaßnahmen
teilnehmen, andererseits bedingt gerade die geringe Qualifikation ein hohes
Risiko, neuerlich arbeitslos zu werden. Damit führt der Weg aus der
Mindestsicherung für manche in ein prekäres und unsicheres
Beschäftigungsverhältnis und nur zu oft relativ rasch zurück in die
Mindestsicherung. Dieser Zielkonflikt führt zum sogenannten „Drehtür-Effekt“.
Diese Zielkonflikte werden entschärft, indem nunmehr Personen auch dann
vom Einsatz der Arbeitskraft ausgenommen werden sollen, wenn sie nach
Vollendung des 18. Lebensjahres einen Pflichtschulabschluss, einen
erstmaligen Lehrabschluss bzw. eine Facharbeiter/innen-Intensivausbildung
absolvieren und die Chancen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt damit
erleichtert werden. Ebenso von der Bemühungspflicht ausgenommen werden
Personen nach Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn sie eine Ausbildung in
den Gesundheits- und Sozialbetreuungsberufen oder ein freiwilliges
Integrationsjahr absolvieren.

2. Aufwertung des Case-Management – verbindlicher
Perspektivenplan wird gemeinsam erarbeitet
Jene Personen, die mit Vermittlungshemmnissen (wie geringe berufliche
Qualifikation, mangelnde Sprachkenntnisse, etc.) am Arbeitsmarkt konfrontiert
sind, sollen von den Behörden zur Inanspruchnahme einer persönlichen Hilfe,
dem sogenannten Case-Management, verpflichtet werden. Im Rahmen des
Case-Managements erfolgt eine Abklärung des Status quo und die Erstellung
eines individuellen Plans zur Erreichung einer dauerhaften
(Wieder)Eingliederung in das Erwerbsleben. Art und Ausmaß der individuell
notwendigen Hilfe wird zwischen den Bezirksverwaltungsbehörden (als BMSBehörden)
und dem AMS abgestimmt.

Das AMS legt nach Maßgabe der Empfehlungen aus dem Case-Management
einen individuellen Maßnahmenplan zur Wiedereingliederung fest und
übernimmt die fachliche Betreuung der Arbeitssuchenden. Damit wird die
Unterstützung von Personen, die es bei der Arbeitssuche besonders schwer
haben, individueller, treffsicherer und verbindlicher.

Gleichzeitig wird der Daten- und Informationsaustausch zwischen AMS und den
Bezirkshauptmannschaften als BMS-Behörden gestärkt. Dies verhindert
Doppelgleisigkeiten, spart Verwaltungskosten und stellt eine rasche Reaktion
der Behörden sicher, wenn beispielsweise Schulungstermine nicht
wahrgenommen werden.

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