Gut Essen, auch ohne Edelstück

So geht Nose to tail - Christian Hügelsberger (LDZ-Küchenleiter), Alexander Frühwirth (LDZ-Mitarbeiter) und Agrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger (v.l.) -- Foto: Land OÖ/Ernst Grilnberger;
So geht Nose to tail - Christian Hügelsberger (LDZ-Küchenleiter), Alexander Frühwirth (LDZ-Mitarbeiter) und Agrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger (v.l.) -- Foto: Land OÖ/Ernst Grilnberger;

„Die Küche des Landesdienstleistungszentrum ist Vorreiter in der Gemeinschaftsverpflegung. Was hier erprobt, umgesetzt und als gut befunden wird, ist in der Vergangenheit von anderen oft übernommen worden. Bestes Beispiel hierfür ist der regionale Wareneinkauf, wo wir vom Bund zur Pilotregion für die Umsetzung des Dynamischen Beschaffungssystems auserkoren wurden. Bei diesem System werden kleine regionale Anbieter, wie Direktvermarkter, Bäcker oder Metzger im Ausschreibungsverfahren unterstützt. Durch das Engagement unserer Küchenleiter ist es uns gelungen bei den 39 Betriebsküchen des Landes Oberösterreich einen Regionalitätsanteil von 60 % und einen Bio-Anteil von 27 % zu erreichen. Eine Leistung, auf die wir natürlich sehr stolz sind. Nun wollen wir uns erneut als Taktgeber profilieren und aufzeigen, dass Nachhaltigkeit und Fleischkonsum kein Gegensatz sind. Das Zauberwort lautet: Nose to Tail. Darunter versteht man die ganzheitliche Verwertung eines Schlachtkörpers und nicht nur die Verwendung einiger weniger ‚Edelteile‘. Dass so etwas schmeckt und Zukunft hat, beweist die Sternegastronomie, ein Blick in Omas Kochbuch – und nun das LDZ-Küchenteam rund um Christian Hügelsberger.“ Agrar- und Ernährungs-Landesrätin Michaela Langer-Weninger

LDZ-Küche: Einmal Vorreiter, immer Vorreiter
Regionale, gesunde und vor allem schmackhafte Mahlzeiten für die rund 1.823 Mitarbeiter/innen des Landesdienstzentrums (LDZ) zubereiten – dieser Aufgabe kommt das Küchenteam rund um Christian Hügelsberger tagtäglich mit Bravour nach. Viel Handarbeit und Liebe zum regionalen Produkt werden bei der Zubereitung an den Tag gelegt. Verzichtet wird dagegen auf weitgereiste und hochverarbeite Convenience-Produkte. Dieses Qualitätsbewusstsein beim Einkauf und der Zubereitung schmeckt man. Die täglichen Menüs erfreuen sich großer Beliebtheit bei den Landesbediensteten. Jährlich werden 380.000 Mahlzeiten im LDZ ausgegeben, 1,6 Millionen Mahlzeiten sind es in allen 39 Landesküchen zusammen.

Auf diesen Lorbeeren auszuruhen, kommt für Christian Hügelsberger und auch das Land Oberösterreich als Betreiber der LDZ-Küche nicht in Frage. Nach der Regionalitätsoffensive der Vorjahre, der inzwischen auch andere Mensen in öffentlicher wie auch privater Hand gefolgt sind, rückt das LDZ nun die Nachhaltigkeit in den Fokus.

Fleischkonsum und Nachhaltigkeit sind kein Gegensatz! LRIN MICHAELA LANGER-
WENINGER

Eine zentrale Maßnahme, die ab sofort umgesetzt wird, ist das Verwerten ganzer Tiere, nach dem Prinzip Nose to Tail. „Indem wir beispielsweise ganze Rinder von der Maske bis zum Ochsenschlepp – also von Nose to Tail – verarbeiten, setzen wir ein wichtiges Zeichen der Nachhaltigkeit, aber auch des Respekts vor dem Tier. Um ein köstliches Essen zuzubereiten, braucht es nicht unbedingt ein Edelstück. Küchenleiter Christian Hügelsberger und sein Team beweisen das ab sofort im LDZ. Ich hoffe andere Kantinen und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes Oberösterreich folgen als Konsumenten diesem Beispiel. Gemeinsam können wir viel bewegen und den Fleischkonsum nachhaltiger und ethisch vertretbarer gestalten“, betont Agrar- und Ernährungs-Landesrätin Michaela Langer-Weninger.

Bei täglich 1.600 ausgegebenen Mahlzeiten (Spitzentage) ist die LDZ-Küche ein wichtiger und großer Abnehmer für seine regionalen Produzent/innen. „Die heimischen Landwirtinnen und Landwirte zu unterstützen und zu stärken, darauf kommt es mir an. Auch die frische, hausinterne Zubereitung aller Speisen und ihrer Bestandteile ist ein Qualitätsanspruch, von dem ich nicht abrücken möchte. Durch die Verarbeitung ganzer Tiere wird das möglich. Natürlich ist der zeitliche und personelle Aufwand für diese Art der Kantinenküche hoch, doch wir alle beim Land Oberösterreich sind uns einig, dass der Output es wert ist. Frei nach dem Motto: Gute Arbeit, fußt auf gutem Essen“, so Küchenleiter Christian Hügelsberger.

Pro Jahr nimmt die LDZ-Küche regionalen Fleischproduzent/innen durchschnittliche folgende Mengen ab:
? 2,4 Tonnen Demeter-Ochsen
? 1 Tonne Bio-Schweine
? 280 Kilogramm Bio-Gänse
? 1,9 Tonnen Bio-Wildhendl
? 1,1 Tonnen Lammfleisch (küchenfertig)

Nose to Tail: Heute Trend, früher Usus
Zu Zeiten von Oma und Opa wäre es den Menschen nicht in den Sinn gekommen, ein Tier zu schlachten und dann nur wenige Teile in der Küche zu verwenden. Das ganze Tier wurde verarbeitet, von den Innereien, über die Edelstück bis zu den Knochen. Leberknödel, Rindssuppe, Hirnschöberl, Presswurst, Kalbskopfterrine, Beuschelsuppe, usw.: Viele traditionelle Gerichte der oberösterreichischen Küchenkultur zeugen davon. Verstaubt und ohne Belang für die moderne Gesellschaft sind diese Gerichte aber auch heute nicht.

Spätestens seitdem sich Spitzengastronomen und Starköche der Philosophie Nose to Tail, was so viel heißt wie vom Kopf bis zum Schwanz, verschrieben haben, ist das ganzheitliche Verwerten eines Tieres wieder „in“. Es ist wieder modern geworden, das ganze Tier und nicht nur ein paar Edelstücke wie Lungenbraten, Entrecôte oder Tafelspitz zu verwenden. Auch die „weniger wertvollen“ Teilstücke werden von der Gastronomie stärker nachgefragt. Manche lockt einfach die Herausforderung der küchentechnischen Verwendung, für andere zählt der Nachhaltigkeitsgedanke und für andere wiederum ist es eine Frage der Ethik und des Respekts vor dem Tier.

„Was auch immer die Beweggründe für die Verarbeitung eines ganzen Tieres sind, je mehr sich mit dieser Thematik beschäftigen, umso besser ist das für unsere Gesellschaft“, ist Landesrätin Michaela Langer-Weninger überzeugt. „Fleisch ist ein wertvolles Nahrungsmittel und sollte laut internationalen Empfehlungen fester Bestandteil der menschlichen Ernährung sein. Aus Aspekten der Gesundheit und auch der Umwelt sollte beim Genuss von Fleisch aber auf Herkunft, Qualität und Abwechslung geachtet werden. Erst die Verwendung verschiedenste Teilstücke ergänzt mit unterschiedlichen, regionalen Beilagen, ergibt einen vollwertigen und nachhaltigen Speiseplan.“

Herausforderungen in der öffentlichen Beschaffung
Die vergaberechtskonforme und kosteneffiziente Beschaffung der vom Land Oberösterreich benötigten Waren und Dienstleistungen ist eine herausfordernde Aufgabe. Auch beim Einkauf ganzer Tiere aus der Region gibt es einige Fallstricke. Zwar gilt das Bestbieterprinzip in der öffentlichen Beschaffung, aber Oberösterreich ist auch Teil des EU-Binnenmarktes und daher bei Einkäufen sehr strikten Regelungen zur Wahrung des Binnenmarkts-Prinzips unterworfen. „Die Erhöhung des Regionalanteils im öffentlichen Einkauf ist eine wichtige, aber auch herausfordernde Zielsetzung. Mit der im Vorjahr eingerichteten Landeskoordinationsstelle für regionale Lebensmittel in der Gemeinschaftsverpflegung, kurz LaKoSt, steht den Küchenleitern der 39 Landesküchen eine kompetente Betreuung zur Seite“, freut sich Christian Hügelsberger über die fachliche Unterstützung. Zuvor haben sich die Kolleg/innen der Landesküchen vielfach an ihn, als offenkundigen Experten im regionalen Einkauf, gewandt. „Mithilfe der LaKoSt versuchen wir den Lebensmitteleinkauf unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten noch stärker zu regionalisieren. Auch Anliegen regionaler Produzentinnen und Produzenten sollen dabei weitgehend berücksichtigt werden. Das bedeutet in der Logistik und in der Abwicklung zusätzlichen Aufwand. Das relativ neue Ausschreibungsverfahren über das ‚Dynamische Beschaffungssystem‘ (DBS) ermöglicht zudem, dass sich Nachfrage und Angebot überhaupt treffen“, schildert Hügelsberger die täglichen Herausforderungen des öffentlichen Einkaufs mit Fokus „Regionalität“.

Teuerung & Fleischkonsum: Es muss nicht immer das Edelstück sein
Die Oberösterreicher/innen spüren die steigende Inflation. Neben der Zapfsäule macht sich das vor allem an der Supermarktkasse bemerkbar. Vielfach verzichten die Menschen daher bereits auf hochwertige Lebensmittel. „Doch gutes, gesundes Essen darf kein Luxus sein. Ebenso wenig der Genuss von Fleisch“, betont Landesrätin Langer-Weninger.

Gutes gesundes Essen darf kein Luxus sein. Ebenso wenig der Genuss von Fleisch! LRIN MICHAELA LANGER-WENINGER

Auch beim täglichen Lebensmitteleinkauf kann der Ansatz Nose to Tail hilfreich sein. Denn die klassischen Edelstücke, zu denen viele greifen, sind auch die teuersten Teilstücke. Dabei sind andere Fleischstücke nicht weniger schmackhaft, wenn die Zubereitung stimmt. Der Ernährungsblog Schmeck‘s oder auch die Kochkurse der Seminarbäuerinnen versuchen hier Hilfestellung zu leisten. Feststeht: Mit der richtigen Anleitung gelingt auch mit weniger bekannten und in der Verwendung anspruchsvollerer Teilstücke leckere Schmorgerichte, Eintöpfe, Ragouts, usw.

„Wenn in den Privathaushalten mehr nach dem Prinzip Nose to Tail gekocht wird, dann profitieren davon viele Akteure entlang der Wertschöpfungskette: Konsumentinnen und Konsumenten etwa, die beim Einkauf sparen. Der Metzger, der nicht länger auf den Teilstücken sitzenbleibt. Die Bäuerinnen und Bauern, die auf eine konstantere Abnahme von Masttiere vertrauen können“, erklärt Agrar-Landesrätin Langer-Weninger.

In den vergangenen Monaten war an Kontinuität und eine sichere Abnahme von Masttieren nicht zu denken. Der Einbruch der Märkte und die Unsicherheit infolge des Ukrainekriegs haben sich auch auf die Lebensmittelproduktion und das Kaufverhalten ausgewirkt. „Zuletzt hat sich der Fleischkonsum in der EU um zehn Prozent verringert. Eine Folge der Teuerung, die sich auf den landwirtschaftlichen Betrieben drastisch auswirkt. Zum Teil gibt es unter den tierhaltenden Betrieben Überlegungen aus der Produktion auszusteigen. Denn die Kosten für Futter- und Betriebsmittel steigen seit Monaten, gleichzeitig sinken aber Absatz und Umsatz“, schildert Agrar-Landesrätin Langer-Weninger die prekäre Lage. Die heimische Landwirtschaft nun zu stärken, sei für das ganze Land wichtig. „Wir alle wissen um den Wert der Versorgungssicherheit. Nur durch die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern können wir uns hoher Selbstversorgungsgrade bei fast allen Lebensmittelgruppen glücklich schätzen. Die heimische Landwirtschaft zu stärken, heißt, unsere Souveränität zu stärken!“

Ganze Ochsen aus dem Mühlviertel, veredelt zu Mahlzeiten für Hungrige aus ganz Oberösterreich

Die heimischen Landwirt/innen zu stärken, darum geht es auch LDZ-Küchenleiter Christian Hügelsberger, der als Abnehmer großer Mengen, für viele bäuerliche Betriebe ein zentraler Geschäftspartner ist. So auch für Florian Kreindl, vom Stemp Hof in Tragwein. Nachdem der Demeter-Bauer vor vier Jahren seinen lokalen Abnehmer verloren hat, suchte er nach einem neuen verlässlichen Geschäftspartner und fand ihn in Christian Hügelsberger. Seither gibt es im LDZ bestes Bio-Ochsenfleisch aus dem Mühlviertel für Mitarbeiter/innen aus ganz Oberösterreich. Im Durchschnitt nimmt Küchenleiter Hügelsberger Bio-Bauer Florian Kreindl 10 bis 15 Ochsen pro Jahr ab – und zwar von Nose to Tail. „Alle Fleischstücke, Knochen und auch Innereien werden verarbeitet und zu verschiedensten Gerichten veredelt. In dieser Woche gab es etwa ‚Gekochtes Rindfleisch mit Erdäpfelschmarrn‘ sowie Rindssuppe mit unterschiedlichen Einlagen“,
berichtet Christian Hügelsberger, dem auch die Auslobung der Produktherkunft ein großes Anliegen ist: „Wir sind Teil der Initiative ‚Gut zu wissen‘ und informieren freiwillig und transparent über die Herkunft von Fleisch, Milch und Milchprodukte sowie Eier. Tischaufsteller und RollUps im Restaurantbereiche sowie Homestories der Lieferanten auf der Website des Landes OÖ machen es möglich.“

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