„Wir brauchen Bio für alle - aber ohne Schmäh!“

Es braucht zukunftsfähige Strategien und politische Konzepte, kein Bio-Marketing, das die Realität verschleiert. „Ich fordere Bio für alle“, sagt der Autor. „Aber ohne Schmäh.“

Anlässlich der „Bio-Fach“, der weltweit größten Bio-Fachmesse, die heute in Nürnberg eröffnet wird, bekräftigt Bioschmäh-Buchautor Clemens G. Arvay nochmals seine Kritik an dem verzerrenden Umgang von Supermärkten und Diskontern mit „Bio“, um damit Profite zu machen. Zugleich fordert er eine Diskussion über eine nachhaltige und sozial gerechte Zukunft der Biolandwirtschaft. „Die an Profit orientierten Interessen von Konzernen müssen neu überdacht und gewichtet werden“, betont Arvay.


Arvay: „Werbung braucht Schranken. Die Realität muss Diskussionsgrundlage werden.“

„Wie weit darf Bio gehen?“, fragt der Agrarbiologe und Autor. Auf jeden Fall seien die Konzerne in ihrer öffentlichen Inszenierung schon zu weit gegangen. „KonsumentInnen laufen mit Vorstellungen von der Bioproduktion herum, die der Realität diametral entgegen stehen“. Und das habe sich in Gesprächen mit Bio-KäuferInnen immer wieder bestätigt.

Biobäuerin Maria Vogt aus Wolkersdorf bei Wien stimmt dem Autor zu: „Es sind Wunschvorstellungen für KonsumentInnen, die von den Handelsketten und ihren Bio-Marken produziert werden. Das wird von den Lebensmittelketten ausgenutzt. Für die ist das ein gefundenes Fressen“, sagt die politisch engagierte Biobäuerin. Bio-Tierfabriken, konventionelles Hochleistungssaatgut, Biobauernsterben, all das stehe inzwischen auch bei „Bio“ an der Tagesordnung. „Die Philosophie des Biolandbaus läuft Gefahr, dem Profitstreben geopfert zu werden“, fügt Biobauer Franz Vogt hinzu.

Klaus Werner Lobo, Autor von Schwarzbuch Markenfirmen, sieht die Tendenz, KonsumentInnen würden sich „ihr gutes Gewissen bequem im Supermarkt kaufen.“



„Brauchen Konsumentenschutzinstanz zur schärferen Kontrolle der Marketingaussagen“

Univ.-Doz. Dr. Peter Weish, Dozent für Humanökologie an der Universität Wien, findet klare Worte: „Werbung müsste massiv besteuert werden und mit diesen Steuermitteln müsste eine ordentliche Aufklärungs- und Informationspolitik betrieben werden, um die Gehirnwäsche durch die Werbung zu konterkarieren und eine humorvolle, aber sehr wirksame Relativierung der Werbesprüche zu bewirken.“

Die Bio-Werbung instrumentalisiert auf perfide Weise Bilder von einer kleinbäuerlichen Welt, die durch die Wirtschaftsweise der Konzerne in Wirklichkeit zerstört wird. Buchautor Arvay bemängelt aber ganz besonders den ausgeprägten Hang zum Greenwash, der unter den Bio-Linien der Supermärkte und Diskonter zu spüren ist. Arvay: „Die Biobranche kommt mit Greenwash-Maßnahmen besonders leicht durch, da man den Bio-Marken einfach gerne glauben möchte und diese den Vertrauensvorschuss gezielt ausnutzen. Wissenschaftliche Konzepte wie z.B. Biodiversität, ökologischer Fußabdruck und sogar Ernährungssouveränität müssen längst in drastisch verzerrter Form als Marketingtools herhalten und ihre gesellschaftliche Bedeutung wird somit verwässert.“ Dies sei im Sinne des Konsumentenschutzes irreführend und mache den offenen Diskurs um die Bio-Problematik unmöglich. „Und genau den brauchen wir“, betont Arvay.

Biobäuerin Vogt: „Bio im Supermarkt und beim Diskonter bedeutet meist industrielle Produktion und Abhängigkeit der Bauern und Bäuerinnen von Großkonzernen. Wissen das die KonsumentInnen? Wie würden sie entscheiden, wenn sie es wüssten?“



HOFER (ALDI in Österreich) verspricht „Lebensmittelsouveränität“.

Ein Weg, mit Werbeversprechen umzugehen, wäre, sie beim Wort zu nehmen und dann auch einzufordern. So könnte man sie ad absurdum führen und die Realität zur Diskussionsgrundlage machen. HOFER beispielsweise verspricht für seine Bio-Eigenmarke Zurück Zum Ursprung die „Souveränität über unsere Lebensmittel“. O-Ton bei HOFER: „Das heißt, dass wir selbst bestimmen können, woher unsere Lebensmittel kommen und von welcher Qualität sie sind.“

„Lösen wir dieses Versprechen doch einfach ein“, fordert Arvay alle KonsumentInnen auf und macht gleich den Anfang: „Ich möchte, dass Hühnerfleisch von Zurück Zum Ursprung künftig nicht mehr aus Bio-Tierfabriken stammt. Außerdem möchte ich, dass Bäuerinnen und Bauern wieder höhere Preise für ihre Erzeugnisse erhalten und dass die Desinformation in der Werbung aufhört und durch objektive Information über die Produktionsumstände ersetzt wird.“ Wenn HOFER solchen Wünschen von KonsumentInnen nicht nachkommen könne oder wolle, sei der Konzern aufgefordert, das Versprechen der „Souveränität über unsere Lebensmittel“ unverzüglich wieder zurück zu nehmen.

„Und so sollten wir das gesamte realitätsverschleiernde Bio-Marketing der Konzerne durchforsten und einen Punkt nach dem anderen öffentlich in Frage stellen. Erst dann ist ein Diskurs möglich, an dem KonsumentInnen aktiv teilnehmen können, weil erst dann die nötige Transparenz gewährleistet ist.



„Bio für alle statt Bio-Schmäh der Konzerne.“

Der Weltagrarbericht *sagt klar und deutlich: „Weiter wie bisher ist keine Option!“ Die Biolandwirtschaft nähert sich zunehmend der industriellen Landwirtschaft an und bleibt nur eine Nische bzw. ein Nebenschauplatz des konventionellen Marktes. Anstatt der Verschleierung dieser Entwicklung durch undurchschaubares Marketing, brauchen wir eine starke Bewegung für eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Landwirtschaft.

Im Buch „Der große Bio-Schmäh“ wird deutlich: Supermärkte und Nachhaltigkeit, sowie soziale Gerechtigkeit, das geht nicht zusammen. Die Diskussionen mit KonsumentInnen und Bauern und Bäuerinnen haben in den letzten Wochen gezeigt, dass es eine Landwirtschaft braucht, die einerseits Bauern und Bäuerinnen einen Preis ermöglicht, von dem sie gut leben können, andererseits gesunde, nachhaltig produzierte und leistbare Lebensmittel für die KonsumentInnen bereitstellt. „Bio für alle“ heißt, ganzheitlich zu denken und das nicht aus den Augen zu verlieren. Das sind wir den nächsten Generationen schuldig! Supermärkte stehen dieser Entwicklung derzeit vielfach entgegen.

Wenn wir Bio für alle wollen, dann ist auch die Agrarpolitik gefordert: Sie muss Rahmenbedingungen schaffen, sowie Maßnahmen ergreifen, die eine wirklich ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Landwirtschaft ermöglichen!

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