Bilanz der AK Vöcklabruck im Krisenjahr 2020: Telefonische und E-Mail-Beratung deutlich gestiegen – 11,6 Millionen Euro erkämpft

Die Covid-19-Krise schlägt sich auch in der Bilanz der AK Vöcklabruck über das Jahr 2020 nieder: Die Sorgen, Ängste und Probleme der Beschäftigten im Bezirk führten zu einer Steigerung der telefonischen Beratungen um 18 Prozent. Die Beratungen per E-Mail haben sich fast verdoppelt. Insgesamt suchten 7532 Arbeitnehmer/-innen Rat und Hilfe. „Dabei ging es in erster Linie um Unklarheiten bei der Entlohnung, Auflösung von Dienstverhältnissen, Pension und Endabrechnung. Corona-bedingt hatten wir sehr oft auch Fragen zu Kündigungen, Kurzarbeit, Sicherheitsvorkehrungen Kinderbetreuung, Home-Office und Auslandsurlauben“, sagt AK-Präsident Dr. Johann Kalliauer. Erkämpft hat die AK im Bezirk alles in allem 11,6 Millionen Euro.

Rekordzahlen auch für ganz Oberösterreich
Noch nie suchten so viele Menschen Rat und Hilfe bei den Servicestellen der AK Oberösterreich wie im Jahr 2020. „Die Zahl der Anfragen erreichte eine Rekordhöhe: Rund 375.000 Anfragen bearbeiteten die AK-Expertinnen und -Experten“, so der AK-Präsident.

119,7 Millionen Euro für die oberösterreichischen Beschäftigten erkämpft
Durch Lockdown und Corona-Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz waren persönliche Beratungen nur mehr eingeschränkt möglich. Ihr Anteil sank übers Jahr gerechnet um 28 Prozent auf rund 45.000. Das tat der Beratungsqualität jedoch keinen Abbruch. Denn umso mehr wurden Telefon und Internet als Instrumente der Fragebeantwortung genutzt. So stieg die Zahl der Mail-Anfragen um 71 Prozent auf mehr als 50.000. Die meisten Anfragen erfolgten per Telefon. Fast 280.000 mal griffen die AK-Mitglieder zum Hörer, um sich Rat zu holen. Das entspricht einem Anteil an den Gesamtberatungen von 74,6 Prozent (+ 20 Prozent).

Trotz der Ausnahmesituation kam die „klassische“ Rechtsberatung nicht zu kurz. Insgesamt konnte die AK Oberösterreich 2020 für ihre Mitglieder 119,7 Millionen Euro erkämpfen. Geld, das den Betroffenen eigentlich zugestanden wäre, das sie aber erst mit Hilfe der Arbeiterkammer bekommen haben: darunter vorenthaltene Löhne, unbezahlte Überstunden oder fehlende Kündigungsentschädigungen. Der Großteil – rund 56,2 Millionen Euro – entfiel auf das Sozialrecht. Ein weiterer großer Anteil – nämlich 46,4 Millionen Euro – wurde in Insolvenzverfahren für die von Firmenpleiten betroffenen Beschäftigten erkämpft. Und in Arbeitsrechtsangelegenheiten holte die AK 13,8 Millionen Euro herein, rund zwei Millionen mehr als im Vorjahr. Der Rest des Gesamtbetrags entfällt auf Interventionen in Konsumentenschutzangelegenheiten und auf die Lohnsteuerberatung.

AK OÖ-Homepage stark nachgefragt
Der Auskunftsbedarf und die vorübergehende Einstellung der persönlichen Beratungen wirkten sich im Vorjahr auch auf die Nutzung der Website der AK Oberösterreich – ooe.arbeiterkammer.at – enorm aus. Sie legte bei den Seitenaufrufen und Besuchen stark zu. Die Website wurde um 50 Prozent mehr genutzt als im Jahr davor. Der größte Teil des Zuwachses lässt sich auf die spezifisch für Corona relevanten arbeitsrechtlichen Themen zurückzuführen. Der Online-Besuch des Bereichs „Arbeit & Recht“ verdreifachte sich nahezu von 521.000 auf 1.371.660 Seitenaufrufe (+ 165 Prozent).

Sozialpartnereinigung mit Regierung bringt bessere Home-Office Regeln

AK-Tool H.O.T.T. klärt offene Fragen zum Heim-Arbeitsplatz
Die Arbeit im Home-Office hat durch die Corona-bedingten Lockdowns eine unglaubliche Dynamik erfahren. Nutzten vor Beginn der Pandemie nur rund fünf Prozent der Arbeitnehmer/-innen in Österreich Home-Office, arbeiteten laut einer IFES-Erhebung im April und im Oktober 2020 bereits rund 40 Prozent der Beschäftigten von Zuhause aus. Nach mehrmonatigen Verhandlungen haben sich Sozialpartner und Bundesregierung in der Vorwoche auf eine Home-Office-Regelung geeinigt. Die Bemühungen der AK haben sich ausgezahlt, endlich gibt es klare Rahmenbedingungen für die Arbeit zuhause. Zentraler Punkt ist die Freiwilligkeit. Niemand kann gezwungen werden, im Home-Office zu arbeiten. Die Nutzung von Home-Office muss in Zukunft schriftlich vereinbart werden.

Die neuen Regeln stellen klar, dass der Arbeitgeber Arbeitsmittel wie Laptop, Handy und auch WLAN bereitstellen muss oder einen Kostenersatz zahlen muss. Die Abschreibung von Kosten für Anschaffungen und die Steuerfreiheit für Zuschüsse vom Arbeitgeber sorgen dafür, dass Betroffene einen finanziellen Ausgleich bekommen. Zudem ist nunmehr das wichtige Thema Unfallversicherung geregelt. Das betrifft auch Wegunfälle vom Home-Office in die Arbeitsstätte, zu einem Arzttermin oder wenn man die Kinder in den Kindergarten bringt.

Die AK Oberösterreich hat schon vor Wochen mit dem Home-Office-Test-Tool H.O.T.T. ein interaktives Serviceangebot für die Beschäftigten gestartet. Dieses bietet wichtige Informationen zur Home-Office-Thematik und stellt zehn Fragen an den Nutzer. Die individuelle Auswertung liefert Erkenntnisse zur persönlichen Arbeitsplatzgestaltung sowie zu organisatorischen und rechtlichen Aspekten. Weitere Infos und eine Home-Office-Mustervereinbarung werden per E-Mail zugesandt. Mehr unter hott.arbeiterkammer.at/.

Erfolge auf interessenpolitischer Ebene
„Die AK war im Jahr 2020 nicht nur auf persönlicher Ebene für die Mitglieder da, sondern auch auf interessenpolitischer Ebene. Durch Stellungnahmen, Gesetzesbegutachtungen und Forderungen konnten Verbesserungen für die Arbeitnehmer/-innen durchgesetzt werden“, erklärt der AK-Präsident. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz zum Schutz von schwangeren Beschäftigten: Die AK Oberösterreich hatte schon während des ersten Lockdowns im März ein präventives Beschäftigungsverbot für Schwangere während der Corona Krise gefordert. Mit einer neuen Regelung sind nun viele schwangere Beschäftigte in der Pflege, in der mobilen Pflege Krankenhäusern, in Kinderbetreuungseinrichtungen und anderen Bereichen mit direktem Körperkontakt zu anderen Personen (Friseurinnen, Physiotherapeutinnen, Kosmetikerinnen, Masseurinnen) besser geschützt. Wenn eine Änderung der Arbeitsbedingungen (kein Körperkontakt, Mindestabstand von zwei Metern) oder die Beschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz (etwa Home-Office) nicht möglich ist, dann hat die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Freistellung unter Fortzahlung des bisherigen Entgelts. Wird die Freistellung in Anspruch genommen, haben Arbeitgeber einen Anspruch auf Ersatz des Entgelts.

Telefone liefen auch in der AK Vöcklabruck heiß
Die weltweite Krise forderte die Arbeitnehmer/-innen auch im Bezirk Vöcklabruck so stark wie noch nie: Zu den traditionell häufigen Anfragen rund um die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, zum Entgelt und zu Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension kamen neue Themen hinzu. Rekordarbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Ängste vor Jobverlust, Probleme bei der Organisation der Kinderbetreuung und finanzielle Sorgen ließen viele Beschäftigte verzweifeln – und die Telefone der Bezirksstelle heiß laufen. Dabei war die Beratung der AK-Mitglieder gar nicht so einfach: „Ein großer Dank gilt meinen Kolleginnen und Kollegen durch deren Flexibilität und Einsatz es möglich war, für unsere Mitglieder, trotz der schwierigen Umstände, ein bestmögliches Beratungsangebot zur Verfügung zu stellen, sagt Bezirksstellenleiter Mag. Michael Weidinger. „Besonders herausfordernd ist auch die wirtschaftliche Struktur des Bezirkes Vöcklabruck, etwa mit dem wichtigen Tourismussektor am Attersee, der von der Pandemie besonders stark betroffen ist. Sowohl für die Beschäftigten im Tourismus als auch für die Mitarbeiter/-innen in den industriellen Großbetrieben müssen nun gemeinsam mit den Betriebsräten Lösungen in dieser herausfordernden Zeit gefunden werden.“

7.532 Beratungen – E-Mail-Anfragen mehr als verdoppelt
Fast sechs von zehn Ratsuchenden nahmen eine telefonische Beratung in Anspruch (4.281, +18 Prozent). Die persönlichen Beratungen gingen um ein Viertel auf 2.598 zurück. Sprunghaft, auf fast das Doppelte, stiegen hingegen die E-Mail-Anfragen – von 334 auf 653. Zusätzlich haben Bildungsexperten/-innen 64 persönliche Bildungsberatungen durchgeführt.

Durch außergerichtliche Interventionen wurden im letzten Jahr 710.336 Euro hereingebracht. Durch Rechtsvertretung vor dem Arbeitsgericht mussten 575.075 Euro erkämpft werden. Insgesamt wurden 342 Fälle gerichtlich oder außergerichtlich abgeschlossen. Im Fall mit dem größten Streitwert erreichte die AK eine Nachzahlung von 84.600 Euro. Aber auch bei kleinen Summen kämpft die AK konsequent um die berechtigten Ansprüche ihrer Mitglieder. In einem Fall musste die AK wegen offener 42,27 Euro vor Gericht gehen. Mit Erfolg

In Sozialrechtsangelegenheiten (Pensionen, Renten, Pflegegeld) erstritt die AK Vöcklabruck im vergangenen Jahr in 192 Fällen insgesamt 4,662.656 Euro. Zusätzlich wurden 2020 für Arbeitnehmer/-innen aus insolventen Betrieben 5,637.680 Euro durchgesetzt. In Summe erreichte die AK Vöcklabruck im Vorjahr an arbeits- und sozialrechtlichen Ansprüchen sowie an Forderungen nach Insolvenzen für ihre Mitglieder Zahlungen von insgesamt 11,585.747 Euro.

Ein Fall aus dem Arbeitsrecht: Falscher Kollektivvertrag und fristwidrige Kündigung
Nach mehr als 20 Jahren im Betrieb wurde eine Arbeiterin aus dem Bezirk Vöcklabruck im 54 Lebensjahr gekündigt. Aufgrund des Lockdowns kam sie leider so spät zur AK, dass eine Anfechtung der Kündigung, die aufgrund ihres Alters durchaus erfolgversprechend gewesen wäre, nicht mehr möglich war.

Dennoch konnte die AK Vöcklabruck der Frau helfen. Der Eigentümer des Unternehmens, in dem sie beschäftigt war, hat am selben Standort mehrere unabhängige Betriebe. Die Frau war viele Jahre lang in einem anderen Betrieb des Eigentümers gemeldet, als dem, in dem sie tatsächlich beschäftigt war. Erst die letzten drei Jahre war sie im tatsächlichen Beschäftigerbetrieb angemeldet.

Der wahrscheinliche Grund: Der Unternehmer hatte sie offenbar deshalb so lange im falschen Unternehmen angemeldet, weil dort ein wesentlich schlechterer Kollektivvertrag galt und er ihr daher weniger bezahlen musste. Eigentlich hätte die Frau für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisse nach dem für sie deutlich günstigeren Kollektivvertrag für die Metallindustrie beschäftigt werden müssen. Dadurch hätte sich auch eine längere Kündigungsfrist ergeben. Und da die Kündigung unmittelbar vor Erreichen der nächsten Abfertigungsstufe (Abfertigung alt) erfolgt war, hätte die Arbeiterin auch einen Abfertigungssprung von sechs auf neun Monatsentgelte gemacht.

Die dadurch verlorenen Ansprüche forderte die AK Vöcklabruck vom Arbeitgeber ein: Mit Erfolg: In einem außergerichtlichen Vergleich wurde die Kündigung in eine einvernehmliche Auflösung zum korrekten, weil späteren Auflösungstermin umgewandelt. Die Frau bekam dadurch nicht nur drei Monatsentgelte mehr an Abfertigung, sondern auch ein einen zusätzlichen Monatslohn samt Sonderzahlungen durch den späteren Beendigungstermin. Für die jahrelange Einstufung im falschen Kollektivvertrag wurde ein pauschaler Schadenersatz vereinbart. In Summe erhielt die Arbeiterin zusätzlich 14.251,30 Euro brutto.

Und ein Fall aus dem Sozialrecht: Trotz schwerer Krankheiten I-Pension abgelehnt
Rund 21 Jahre lang war eine Arbeiterin aus dem Bezirk Vöcklabruck bis zur Pension in einem Produktionsbetrieb beschäftigt. Sie musste dabei immer mit schweren Industrie-Zuschnittscheren und Klebepistolen hantieren und hatte dauernden Kontakt mit aggressiven Klebstoffen, Chemikalien und Handreinigern.

Durch letzteres litt sie unter chronischen Ekzemen an den Händen und Unterarmen, Hautreizungen und einer Kontaktallergie gegenüber mehreren (chemischen) Stoffe.

Und der ständige Einsatz der Scheren und Klebepistolen hatte irreparable Druckschädigungen an den Nerven im Bereich der rechten Hand verursacht. Ab dem Kalenderjahr 2017 waren für die Frau die daraus resultierenden Schmerzen kaum mehr erträglich und sie musste häufiger in den Krankenstand gehen. Nach Beratung durch die AK stelle die Frau einen Antrag auf Feststellung einer Berufskrankheit und den Zuspruch einer Versehrtenrente bei der Unfallversicherung (AUVA). Zwei Jahre später ging sie in die reguläre Alterspension.

Aus unbegreiflichen Gründen wollte die AUVA sowohl die Hauterkrankung als auch Nervenschädigung trotz des offensichtlichen Zusammenhangs mit der über 20-jähriger immer gleichen beruflichen Tätigkeit nicht als Berufskrankheit anerkennen. Die AK musste gegen beide Bescheide vor Gericht gehen. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger stellte eindeutig fest, dass es sich in beiden Fällen um Berufserkrankungen handelte. Die Frau erhält nun zusätzlich zur normalen Alterspension rückwirkend bis zur Antragstellung im Jahr 2017 eine Versehrtenrente in Höhe von 20 Prozent der Vollrente. Das sind fast 350 Euro monatlich, 14 mal im Jahr.

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