Mit Digitalen Zwillingen Bodenverbrauch eindämmen

v.l.Wirtschafts- u.Raumordnungs-Landesrat Markus Achleitner,Dipl.-Ing. Ernst Spitzbart, Geschäftsführer UPM Kymmene Austria GmbH,DI (FH) Sabrina Schubert, MSc,BIM-Managerin,DELTA, u. DI Dominik Schmedemann, NETZ & PLAN LeitungsdokumentationsgmbH.
v.l.Wirtschafts- u.Raumordnungs-Landesrat Markus Achleitner,Dipl.-Ing. Ernst Spitzbart, Geschäftsführer UPM Kymmene Austria GmbH,DI (FH) Sabrina Schubert, MSc,BIM-Managerin,DELTA, u. DI Dominik Schmedemann, NETZ & PLAN LeitungsdokumentationsgmbH.

Revitalisierung der Papierfabrik Steyrermühl als Pilotprojekt für neue Landesförderung

Flächeninanspruchnahme und Zersiedelung gehören zu den drängendsten Problemen der Gegenwart. Für den Flächenschutz in Oberösterreich setzt das Land OÖ mit der
neuen OÖ. Raumordnungsstrategie und dem neuen OÖ. Raumordnungsgesetz Impulse zur Orts- und Stadtkernbelebung und zur Nutzung von Leerständen und Brachflächen.
„In unserer Raumordnungsstrategie #upperREGION2030 haben wir festgelegt, die Entwicklung nach innen anstatt nach außen durch die Aktivierung von Baulandreserven, Leerständen und Brachflächen zu fördern. Bevor für Betriebsansiedlungen oder -
erweiterungen Flächen neu gewidmet werden, sollen vorhandene leerstehende Gebäude oder brachliegende Flächen genutzt werden, um den Bodenverbrauch einzudämmen“, erklärt Wirtschafts- und Raumordnungs-Landesrat Markus Achleitner.

Da die Aufbereitung einer Industrie- oder Gewerbebrache für ein Nachfolgeprojekt eine äußerst komplexe Querschnittsmaterie ist, unterstützt das Land OÖ nun Eigentümer und Investoren mit einer neuen finanziellen Förderung. Ziel ist die exakte digitale Bestandsaufnahme von Gebäuden mittels Laserscan und die Erstellung eines sogenannten Digitalen Objektzwillings. Als Pilotprojekt dient der südliche Teil des Areals der Papierfabrik Steyrermühl, der teils leer steht und teils vermietet ist.

Die Idee zur Revitalisierung kam vom Eigentümer UPM-Kymmene Austria selbst. Die oö. Standortagentur Business Upper Austria entwickelte einen maßgeschneiderten
Standortentwicklungsprozess basierend auf der Co-Creation-Methodik. Mit verschiedenen Stakeholder-Gruppen wird derzeit intensiv an der Ideenfindung für eine attraktive Nachnutzung gearbeitet. Der Digitale Objektzwilling ist eine ideale Ergänzung zum laufenden Prozess und ermöglicht das detaillierte Einarbeiten der Ergebnisse.
Management und Technologie werden so sinnstiftend verknüpft.

„Die neue Technologie und die neue Förderung ermöglichen den Einsatz des Digitalen Objektzwilling. Dieser wiederum leistet einen wichtigen Beitrag zum effizienten und nachhaltigen Bauen sowie zur Schonung von Bodenressourcen“, unterstreicht
Landesrat Achleitner.

Digitaler Objektzwilling ermöglicht Revitalisieren, Flächen sparen & umweltschonendes Bauen

Die Aufbereitung einer Industrie- oder Gewerbebrache für ein Nachfolgeprojekt ist oft mit vielen Herausforderungen verbunden. Beispielsweise kann es notwendig sein, Flächen zu dekontaminieren oder Gebäude(teile) abzureißen und zu entsorgen.
Flächenrecycling von Brachen ist eine komplexe Querschnittsmaterie. Bei den Brachen fehlen darüber hinaus oft die für eine Revitalisierung benötigten Pläne vom Bestand, um die Möglichkeiten zur Bestandserhaltung und den Aufwand entsprechend abschätzen zu können. Diese Hemmnisse und Zeitdruck führen häufig dazu, dass Investoren den Bau auf der grünen Wiese bevorzugen und sich gegen die Wiederbelebung eines Leerstands in der Region entscheiden.

Neue Förderschiene des Landes OÖ
„Das Land OÖ will hier nun Abhilfe schaffen und unterstützt Eigentümer und Investoren beim Revitalisieren von Brachen. Die neue Förderung ist Teil unseres Aktionsprogramms zur Aktivierung von Leerständen, der Nachnutzung von Gebäudebrachen und der Stärkung von Orts- und Stadtkernen. Damit werden die Bereiche Leerstand, Innovation & Digitalisierung verschränkt. Ziel ist die exakte digitale Bestandsaufnahme von Gebäuden mittels Laserscan und die Erstellung eines sogenannten Digitalen Objektzwillings“, erklärt Wirtschafts- und RaumordnungsLandesrat Markus Achleitner. Dieser Objektzwilling dient als digitale Basis für alle weiteren Planungs- und Entwicklungsüberlegungen sowie innovative Neuinterpretationen. Leerstände oder Brachen, die über ein hohes Entwicklungspotenzial verfügen und deren Wiederbelebung für die öffentliche Hand von besonderer Bedeutung ist, können in den Genuss dieser Förderung kommen. 20 Projekte können pro Jahr mit einer Förderhöhe von 80 Prozent der Projektkosten –
maximal 6.500 Euro – unterstützt werden. Anträge sind ab November 2021 möglich.

Nachhaltige Standortentwicklung und Ressourcenschonung
Die Erstberatung erfolgt durch den Möbel- und Holzbau-Cluster sowie der Abteilung Investoren- und Standortmanagement der oö. Standortagentur Business Upper Austria.
Dieses Beratungsgespräch ist Voraussetzung für die Förderung. Die Expertinnen und Experten der Standortagentur begleiten bei der Entwicklung von Brachflächen und Leerständen. „Das Förderinstrument trägt wesentlich zur nachhaltigen Standortentwicklung sowie zum verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen bei und schafft Anreize zur Aktivierung von Brachen“, betont Landesrat Achleitner. Durch die standardisierte, digitale Bestandsaufnahme der Brache lassen sich in weiterer Folge fundierte Aussagen zur Objektqualität treffen und das Transformationspotenzial sowie Kosten-Nutzen der Revitalisierung können besser eingeschätzt werden.

Digitale Arbeitsmethode für die Baubranche
Im Zuge der Bestandsaufnahme wird ein be- und verarbeitbares Datenpaket erstellt, das BIM-anschlussfähig (Building Information Modeling = Bauwerksdatenmodellierung) ist und dem aktuell gültigen IFC-Standard (Industry Foundation Classes) entspricht – ein weltweit offener Standard für den Datenaustausch in der Bauindustrie. Die gewonnenen Daten sollen in weiterer Folge sinn- und wertstiftend in bestehende Plattformen wie die Standortdatenbank standortooe.at eingebunden werden. Die Standortdatenbank entwickelt sich somit von einer reinen Datenbank hin zu einer Plattform. BIM ist die digitale Arbeitsmethode für die Baubranche. Es ist keine Software, sondern eine kooperative Arbeits- oder Planungsmethode zur Erstellung, Koordination und Übergabe eines fachübergreifenden virtuellen 3D-Bauwerksmodells – des Digitale Objektzwillings,

Pilotprojekt: Digitalisierung der
Papierfabrik Steyrermühl

Das Areal der ehemaligen Papierfabrik Steyrermühl befindet sich im Besitz der UPMKymmene Austria GmbH. Vor ca. 30 Jahren wurde die Papierfabrik in Steyrermühl am neuen – nun aktuellen – Standort eröffnet. Seit der Übersiedlung des Unternehmens vom alten Standort direkt an der Traun in das neue Werksgelände stehen Teile der ehemaligen Papierfabrik Steyrermühl leer, einige wurden abgerissen oder vermietet.
Aktuell werden in einem von der Standortagentur Business Upper Austria entwickelten Co-Creation-Prozess Ideen für die Nachnutzung des Geländes gesammelt. Rund 20 Stakeholder aus den Bereichen Kunst & Kultur, Wirtschaft und Politik wirken in diesem
kreativen Prozess mit.

Wertvolles historisches Areal nutzen
„Bei UPM wird nachhaltiges Handeln großgeschrieben. Wir sehen das Areal als wertvolle Ressource, die durch eine Neuinterpretation bestehenden und zukünftigen Nutzern noch besser zugänglich und nutzbar gemacht werden soll“, betont Ernst Spitzbart, Geschäftsführer der UPM-Kymmene Austria GmbH. „Der südliche Teil unseres Areals mit dem Papiermachermuseum und dem Veranstaltungszentrum bringt viel Geschichte mit sich, wird aber aus unserer Sicht nicht entsprechend genutzt. Das wollen wir mit dem Transformationsprozess ändern und die historische Bedeutung des Gebäudes wieder sichtbar machen“, so Spitzbart.

Komplexe Brache als Herausforderung
Für das Pilotprojekt sollten nun rund 800 m2 digitalisiert werden: die ehemalige Werkstätte sowie die ehemalige Lehrwerkstatt. Dabei ergaben sich mehrere Herausforderungen: Gerade bei alten Gebäuden gibt es keine aktuellen bzw.
brauchbaren Pläne. Will man für die Transformation in weiterer Folge beispielsweise einen Ideenwettbewerb ausschreiben, braucht es ein einheitliches Datenpaket, das an die teilnehmenden Betriebe weitergegeben werden kann. „Der digitalisierte Bereich ist außerdem eine enorme Herausforderung, weil die Räume sehr verwinkelt sind“, erklärt Dominik Schmedemann von der NETZ & PLAN LeitungsdokumentationsgmbH. „Wir wollen an diesem Beispiel zeigen, dass wir extrem komplexe Gebäudestrukturen abbilden können. Der Objektzwilling wird nicht nur einfach vermessen, sondern auch im Landeskoordinatensystem mit Anschluss an das amtliche Höhensystem verortet. Weil es sich hier um den Prototyp für das Förderprogramm handelt, wurde eine sehr komplexe Brache gewählt“, so Schmedemann.

Effizientes und nachhaltiges Bauen
„BIM schafft Mehrwerte, indem Menschen, Prozesse und Werkzeuge über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks zielorientiert zusammenwirken. So gewinnt ein Bauwerksprojekt an Transparenz, Qualität, Kosten- und Terminsicherheit“, erläutert
Sabrina Schubert, BIM-Managerin von DELTA. Mit BIM werden Bauwerke innerhalb der vereinbarten Termin- und Kostenplanung in höherer Qualität geplant, gebaut und bewirtschaftet. Damit werden die Effizienz gesteigert sowie Ressourcen und Umwelt geschont. Für Investoren, Bauherren und Nutzer ergibt sich durch nachhaltiges Bauen und Bewirtschaften eine Werterhöhung und -erhaltung des Bauwerks.

Erleichterung für Baufirmen und Planungsbüros
„Wir sprechen hier von Field zu BIM: Ein bestehendes Gebäude wird digitalisiert – im Unterschied zu BIM zu Field, wenn neu gebaut und das Gebäude digital entworfen wird“, erklärt Sabrina Schubert. „Vorteil: Ich erhalte einen kompletten Datensatz zum Gebäude, den ich mehreren Organisationen geben kann und die mir dann Ideen für die Nachnutzung bzw. Revitalisierung auf Basis dieser Daten präsentieren. Baufirmen und Planungsbüros wie uns erleichtert es die Arbeit, weil wir den Digitalen Zwilling um weitere Daten ergänzen können. Bei unserem Digitalen Zwilling haben wir eine Aufnahmetiefe von LOD 300, das heißt, es sind die Grundlagen wie Gebäudekonturen, Türen, Öffnungen und Decken erfasst.

Aktuelle Ergebnisse der Bestandserhebung von Brachflächen in Oberösterreich

Eine Erhebung der oö. Standortagentur Business Upper Austria im Jahr 2018 hat ergeben, dass in Oberösterreich 102 Areale im Gesamtausmaß von 68 Hektar brach
liegen. Darunter fallen Flächen mit bestehender Widmung, die mehr als drei Jahre leer stehen – wie ehemalige Produktions- und Lagerflächen oder ungenutzte Gewerbeflächen. 2021 führten Business Upper Austria und die FH Oberösterreich
mithilfe der DORIS-Gruppe beim Land OÖ erneut eine Erhebung durch. „Die sensationelle Rücklaufquote zeigt, dass das Thema auf großes Interesse bei den oö.
Gemeinden stößt: 416 von 438 Gemeinden haben 2021 an der Erhebung teilgenommen, das ist eine Rücklaufquote von 94,98 Prozent, 120 Gemeinden haben Brachen gemeldet“, zeigt sich Landesrat Markus Achleitner erfreut: „Insgesamt wurden 277 Areale im Gesamtausmaß von 110 Hektar erhoben.“

Stärkung der Orts- und Stadtkerne
Die Erhebung wird künftig alle drei Jahre wiederholt. So können möglichst viele der leerstehenden Objekte wieder einer nachhaltigen Nachnutzung zugeführt und so
Impulse für die Belebung der Orts- und Stadtkerne gesetzt werden. „Wir haben uns mit der OÖ. Raumordnungsstrategie das Ziel gesetzt, die Verbauung von Flächen einzudämmen, Grünräume zu sichern sowie die Orts- und Stadtkerne in ihrer Funktion als lebendige Lebens- und Arbeitsräume zu erhalten. Unter dem Motto ‚nach innen wachsen‘, schützen wir unsere Bodenressourcen und damit unsere Lebensqualität und leisten so einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz“, hebt Landesrat Achleitner hervor.
Um betroffene Eigentümer und Gemeinden seitens des Landes OÖ zielgerichtet unterstützen zu können, ist eine Übersicht über die relevanten Leerstände unerlässlich.
Die Gebäude und Brachen werden daher systematisch in einer Standortdatenbank erfasst und werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert. Building Information Modeling (BIM) liefert dazu wichtige Daten über die Objekte und erleichtert Konzeption, Planung und Umsetzung der nachhaltigen Nachnutzung.

Leerstände in Ortskernen
Die Anzahl der Leerstände hat sich im Vergleich zu 2018 zwar erhöht, allerdings nur deshalb, weil die Erhebungskriterien geändert wurden, um noch mehr potenziell für eine Nachnutzung geeignete Objekte und Flächen zu identifizieren und ein möglichst breites Bild zu bekommen. 2021 wurden jene Immobilien gesucht, die unabhängig vom Bauzustand seit mindestens drei Jahren leer stehen oder aktuell nur bis zu maximal einem Drittel der Objektnutzfläche (bezogen auf die brachliegenden Gebäude bzw.
Manipulationsflächen am Areal) gewerblich genutzt werden. Darin sind nun auch gewerbliche Leerstände in Ortskernen enthalten. Der maximale Nutzungsgrad hat sich von 20 % auf ein Drittel erhöht.

Unterstützung durch Business Upper Austria
Von jenen 120 Gemeinden, die Brachen gemeldet haben, hat fast die Hälfte angegeben, bei der Revitalisierung Unterstützung zu benötigen. Die Gemeinden wurden außerdem gefragt, wo sie den größten Unterstützungsbedarf sehen. Am häufigsten genannt wurde dabei die Unterstützung bei der Ideenfindung zur Revitalisierung, bei der Abklärung von Fragen und der Konzeptentwicklung.

Die oö. Standortagentur Business Upper Austria unterstützt Unternehmen und Gemeinden bei der Revitalisierung von Brachen durch professionelle Beratung und der Vernetzung mit Expert/innen. Außerdem begleitet das interdisziplinäre Team bei der Ideenfindung und Konzeptentwicklung. Bei Altstandorten gibt es Unterstützung durch das Umweltbundesamt: In einem ersten kostenlosen Screening wird der Aufwand für die Bereinigung eingeschätzt. Das Angebot kann in Absprache mit Business Upper Austria in Anspruch genommen werden.



Foto1 - v.l.: Wirtschafts- und Raumordnungs-Landesrat Markus Achleitner, Dipl.-Ing. Ernst Spitzbart, Geschäftsführer UPM Kymmene Austria GmbH, DI (FH) Sabrina Schubert, MSc, BIM-Managerin, DELTA, und DI Dominik Schmedemann, NETZ & PLAN LeitungsdokumentationsgmbH.

Weitere Meldungen