Unbedankte Helden der Corona-Krise: Die Beschäftigten halten den Bezirk Vöcklabruck am Laufen

Die Corona-Krise zeigt deutlich, wer die wahren Helden und die wirklichen Leistungsträgerinnen unserer Gesellschaft sind und wer das Land am Laufen hält. Ohne
die Leistungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stünde im Bezirk Vöcklabruck und im gesamten Bundesland alles still. Dafür haben sie mehr als nur Applaus verdient. Es wird daher Zeit, den arbeitenden Menschen jene Wertschätzung
zukommen zu lassen, die sie verdienen.

Gut 77 Prozent der Frauen und knapp 83 Prozent der Männer aus dem Bezirk Vöcklabruck sind erwerbstätig. Im Jahresdurchschnitt 2019 waren fast 58.800 Vöcklabrucker/-innen unselbständig beschäftigt. Zwischen 2008 und 2019 ist die Beschäftigung
um fast 14 Prozent gewachsen. Bei den Frauen (plus 19,2 Prozent) fiel der Anstieg
doppelt so stark aus wie bei den Männern.

Fast 29 Prozent der Beschäftigten sind in der Warenherstellung tätig. Zweitgrößte
Branche im Bezirk ist der Handel mit 14,3 Prozent der Beschäftigten. Etwa ein Neuntel der Erwerbstätigen arbeitet im Gesundheits- und Sozialwesen, das mit gut 79 Prozent den zweithöchsten Frauenanteil aufweist. Noch höher ist der Frauenanteil nur
bei den sonstigen Dienstleistungen, zu denen insbesondere Friseur- und Kosmetiksalons zählen.

Die größten Betriebe im Bezirk sind die Lenzing AG, der Stiwa-Konzern, die S. Spitz
GmbH, das Salzkammergutklinikum am Standort Vöcklabruck und die Lebenshilfe
mit der Zentrale in Vöcklabruck. Jeweils ein knappes Fünftel der Beschäftigten arbeitet in Kleinstbetrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern/-innen bzw. in Großbetrieben mit mehr als 250 Beschäftigten.

2019 leisteten die Vöcklabrucker Arbeitnehmer/-innen nach AK-Berechnungen 97
Millionen Arbeitsstunden, davon waren rund 3,9 Millionen Überstunden – diese entsprechen umgerechnet rund 2.300 Vollzeitarbeitsplätzen.

In Österreich werden rund 15 Prozent der Mehr- und Überstunden nicht abgegolten
– weder in Geld noch durch Zeitausgleich. Umgelegt auf Vöcklabruck werden den
betroffenen Beschäftigten somit jährlich rund 14,8 Millionen Euro vorenthalten.

Im Jahr 2019 war die Zahl der Arbeitsuchenden in Vöcklabruck noch minimal rückläufig. 2.784 Personen waren arbeitslos, 708 in Schulung und 63 Jugendliche suchten
eine Lehrstelle. Aufgrund der steigenden Beschäftigung kam es zu einem leichten Absinken der Arbeitslosenquote auf 4,5 Prozent.

Im Laufe des Jahres wurden fast 11.500 Beschäftigte aus dem Bezirk Vöcklabruck zumindest vorübergehend arbeitslos. 70 Prozent aller Arbeitslosen haben innerhalb von
drei Monaten wieder einen neuen Job gefunden. Insgesamt haben annähernd 23.000
Beschäftigte den Job gewechselt. Das zeigt die hohe Dynamik auf dem Arbeitsmarkt.
Am ersten Höhepunkt der Krise im Frühjahr 2020 haben etwa 1.500 Betriebe für
rund 15.400 Beschäftigte Kurzarbeit beim AMS beantragt. Ende August waren noch
fast 5.200 Beschäftigte in rund 470 Betrieben in Kurzarbeit. Dennoch haben auch im
Bezirk Vöcklabruck viele Arbeitnehmer/-innen ihren Job verloren: Bis Ende April ist
die Zahl der Arbeitslosen auf 5.186 hinaufgeschnellt, das waren mehr als doppelt so
viele wie im Jahr zuvor (plus 113,2 Prozent).

Nicht nur zwischen den Bezirken gibt es deutliche Unterschiede. Auch innerhalb des
Bezirks Vöcklabruck war der Anstieg der Arbeitslosigkeit sehr unterschiedlich: In einigen Gemeinden wie Attersee, Pfaffing oder Pitzenberg ist die Zahl der Arbeitslosen
bis Ende März innerhalb weniger Tage auf das Dreifache des Vorjahres explodiert, in
vielen Gemeinden gab es eine Verdoppelung. Nur an Rutzenham ging der Lockdown
zunächst spurlos vorüber – zumindest gab es dort im März noch einen Rückgang der
Arbeitslosigkeit. Nach dem allmählichen Wiederhochfahren der Betriebe und Geschäfte hat sich der Anstieg der Arbeitslosigkeit allmählich abgeschwächt, wobei die
Entwicklung in den einzelnen Gemeinden sehr unterschiedlich verläuft.

Immerhin gut 62 Prozent der Arbeitslosen haben innerhalb von drei Monaten wieder
einen – vielfach den alten – Arbeitsplatz gefunden. Für alle, die nicht mit einer Wiedereinstellungszusage rasch wieder beim alten Dienstgeber eingestellt wurden, gestaltet sich die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz aber wesentlich langwieriger. Daher
liegt die Arbeitslosigkeit immer noch über dem Vorjahresniveau: im Oktober um
rund 28 Prozent.

Die Beschäftigten im Bezirk Vöcklabruck verbringen nicht nur viel Zeit in der Arbeit,
sie sind dort auch höchst innovativ und produktiv. Ihre in den Finanzkennzahlen
messbare Leistung kann sich sehen lassen: Die Pro-Kopf-Wertschöpfung lag im Bilanzjahr 2018 bei mehr als 84.200 Euro. Zieht man davon die durchschnittlichen Personalkosten ab, bleiben den Unternehmen jährlich immer noch mehr als 24.200 Euro
pro Mitarbeiterin und Mitarbeiter. Aus den für 2019 bereits vorliegenden Jahresabschlüssen lässt sich ablesen, dass die Betriebe auch im vergangenen Jahr gut an ihren
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verdient haben.

Im Bezirk Vöcklabruck wurden im Vorjahr 40 Erfindungen angemeldet. Damit werden berufliche Spitzenleistungen dokumentiert. Unsere Arbeitnehmer/-innen sind
aber nicht nur deswegen die wahren Leistungsträger/-innen der Gesellschaft. Dazu
machen sie vielmehr ihr täglicher Arbeitseinsatz, die Bereitschaft zur Mehrleistung,
wenn es der Arbeitsaufwand erfordert, die Bereitschaft zur (beruflichen) Weiterbildung, aber auch ihr vielfältiges ehrenamtliches Engagement, etwa bei der Berg- oder
Wasserrettung, die heuer besonders viel zu tun hatten.

Für Eltern stellt die Kinderbetreuung in „Normalzeiten“ schon eine große Herausforderung dar. In den vergangenen Monaten waren sie aufgrund der Schulschließungen
– neben ihrer Berufstätigkeit – nicht nur als Eltern gefragt, sondern auch als Lehrer/-
innen.

Im ersten Halbjahr 2020 verdienten die in Vöcklabruck beschäftigten Arbeitnehmer/-
innen rund 2.570 Euro brutto im Monat. Das entspricht knapp 1.820 Euro netto (14
Mal im Jahr). Die in Vöcklabruck arbeitenden Männer liegen mit einem Bruttoeinkommen von 2.977 Euro im Bezirksvergleich auf Rang 3, beim mittleren Bruttoeinkommen der Frauen (1.819 Euro) liegt der Bezirk nur im Mittelfeld. Demenstprechend groß ist der Einkommensunterschied: Frauen verdienen um knapp 39 Prozent
weniger als Männer.

Der Einkommensverlust durch die Kurzarbeit wird durch diese Statistik verschleiert,
weil hier die ungekürzte Sozialversicherungsbemessungsgrundlage in die Berechnung
eingeht. Tatsächlich haben die Betroffenen durch die Kurzarbeit zwischen zehn und
20 Prozent ihres Einkommens eingebüßt. Beim Medianeinkommen macht das bis zu
360 Euro im Monat aus.

Wer in der Krise sogar seinen Job verloren hat, stürzt mit dem Arbeitslosengeld auf
55 Prozent des vorigen Nettoentgelts ab und muss im Durchschnitt mit nur 1.150
Euro im Monat auskommen. Das sind monatlich um 670 Euro weniger im Haushaltsbudget – bzw. eigentlich sogar um rund 1000 Euro, weil es beim Arbeitslosengeld keinen 13. und 14. Monatsbezug gibt.

Als im März Gerüchte über einen Lockdown durch die Medien gingen, begann in
den Supermärkten der sprichwörtliche Wahnsinn. Auch der Interspar-Markt in Vöcklabruck wurde von den Kunden/-innen förmlich überrannt. Die Hauptaufgabe der
Beschäftigten war es, die Vielzahl an Kunden/-innen zu bewältigen und laufend die
Regale nachzufüllen. „Wir waren aber nicht nur Verkäuferinnen, sondern auch Psychologinnen, die die Kunden trösten und beruhigen mussten, dass nichts ausgehen
wird und sie nicht verhungern müssen. Darum ist es wohl derzeit ein wenig ruhiger
als im März, weil die Leute wissen, dass der Handel offen bleibt und sie immer etwas
zu essen bekommen“, berichtet Betriebsrätin Ursula Kamarad.

Manche Produkte – wie etwa Klopapier, Germ und Nudeln – wurden in einem nie
dagewesenen Ausmaß gekauft. Zeitweise hatten die Handelsbetriebe Probleme, diese
Waren aus den Lagern in die Märkte zu bringen, weil die personellen Kapazitäten ausgeschöpft waren. „Auch wir sind zeitweise mit dem Einräumen der Regale nicht
nachgekommen, weil täglich zwei bis drei Lkw voller Waren angekommen sind“, sagt
Ursula Kamarad. An zehn geöffneten Kassen bildeten sich teilweise Warteschlangen
durch den ganzen Markt.

Neben der körperlichen Belastung durch das Tragen der Maske macht den Beschäftigten vor allem die Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus zu schaffen. Für
viele ist es ein schmaler Grat, die eigenen Sorgen und die Angst vor dem Virus mit
dem Pflichtbewusstsein und der Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber in Einklang zu
bringen. „Aber wir schauen auf unsere Sicherheit und die Sicherheit der Kundinnen
und Kunden, halten den nötigen Abstand, tragen natürlich Masken. So werden wir
hoffentlich gesund durch die Pandemie kommen“, hofft die Betriebsrätin.

Die vergangenen Monate haben mehr denn je gezeigt, dass auf die Beschäftigten Verlass ist. Sie halten seit Ausbruch der Pandemie unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft am Laufen. Ohne die mobilen, flexiblen, produktiven, innovativen Beschäftigten würden die Unternehmen die Corona-Krise nicht überstehen. Mit Geduld, Improvisationsfähigkeit und Fleiß waren und sind sie trotz der vielen, massiven und
ständig wechselnden Belastungen und Einschränkungen im Einsatz.
Für diese Loyalität und ihr Engagement haben sich die Beschäftigten mehr Wertschätzung verdient. Aber die Realität sieht vielfach anders aus: Zahlreiche Unternehmen haben sich bei Ausbruch der Krise sofort von ihren Mitarbeitern/-innen getrennt, haben sie bestenfalls mit Wiedereinstellungszusagen auf eine bessere Zukunft vertröstet.

Viele als Helden/-innen der Krise gelobte Beschäftigte warten immer noch darauf,
dass ihr Einsatz (samt Erkrankungsrisiko) honoriert wird. Die Beschäftigten in Kurzarbeit tragen mit ihrem Einkommensverzicht ganz wesentlich dazu bei, dass die Betriebe die Auftragslöcher überstehen und anschließend mit einem eingearbeiteten
Team die Produktion rasch wieder hochfahren können.

Die Corona-Pandemie macht die Krisenanfälligkeit unseres bisherigen Wirtschaftssystems deutlich. Um unseren Wohlstand nachhaltig abzusichern, müssen wir den arbeitenden Menschen jene Wertschätzung zukommen lassen, die sie verdienen, und das
soziale Netz absichern und an einigen Stellen verbessern:

• Anhebung der Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung auf mindestens 70
Prozent des letzten Einkommens. Die Einmalzahlung von 450 Euro ist kein Ersatz dafür.
• Anerkennung der hohen Produktivität und Leistungsbereitschaft der Beschäftigten durch faire, deutliche Lohn- und Gehaltserhöhungen. Insbesondere für viele
der als Corona-Heldinnen und Helden bezeichneten Beschäftigten ist die Anhebung der KV-Löhne und Gehälter auf mindestens 1.700 Euro wichtig.
• Darüber hinaus muss die Regierung den geschätzt eine Million Arbeitnehmer/-
innen, die seit Ausbruch der Krise das Land am Laufen halten, endlich den zugesagten „Corona-Tausender“ auszahlen und die Lohnsteuer-Reform vollständig
rasch umsetzen.
• Ankurbelung der Wirtschaft durch Konjunkturprogramme von Bund und Land –
insbesondere Ausbau der sozialen Infrastruktur und des öffentlichen Verkehrs sowie Ankurbelung des Wohnbaus bzw. der thermischen Sanierung. Durch diese
Investitionen wird die Beschäftigung in vielen Branchen gesichert und es entstehen auch zahlreiche neue, dauerhafte Arbeitsplätze.
• Arbeitsmarktpolitische Schwerpunkte müssen die Sicherung der Ausbildung der
Jugendlichen und die Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit bei benachteiligten Gruppen durch geförderte Beschäftigung sein.

Weitere Meldungen